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Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammen denken!
Aktualisiert: vor 40 Minuten 33 Sekunden

Können schwimmende Anlagen CO2 binden und die Versauerung der Ozeane verringern?

22. März 2023 - 9:09

Die Kohlenstoffabscheidung (CCS) als Verfahren und Technologie sorgt immer wieder für Schlagzeilen, da darauf viele Hoffnungen gesetzt werden, bereits emittiertes CO2 aus der Atmosphäre entfernen zu können. Und auch wenn die Technologie noch längst nicht ausgereift ist, sind CCS-Verfahren ein wichtiger Bestandteil verschiedene Szenarien zur Eindämmung des Klimawandels.

Aktuell werden verschiedene Methoden und die Frage nach der richtigen Platzierung der CO2-Abscheidung in der Kohlenstoffproduktionskette erprobt. So könnte die Technologie beispielsweise mit bestehenden industriellen Verfahren kombiniert werden, um den Kohlenstoff direkt am Entstehungsort abzuscheiden.

Das US-amerikanische Unternehmen Captura Corp verfolgt dagegen einen anderen, sehr ehrgeizigen Ansatz: Mit großen schwimmenden Kohlenstoffabscheidungsanlagen soll das klimaschädliche Gas direkt aus unseren Ozeanen entfernt werden.

Meere und Ozeane binden große Mengen CO2

Die Meere und Ozeane der Erde spielen eine wichtige Rolle bei der Bindung von atmosphärischem Kohlenstoff. Sie können bis zu 30 Prozent der CO2-Emissionen der Erde aufnehmen und mitunter jahrzehntelang tief in den kalten Ozeanen speichern.

Dies hat jedoch auch negative Auswirkungen auf die Ozeane selbst. Ein erhöhter Kohlenstoffgehalt führt schon heute zu einer Versauerung der Ozeane und stört das empfindliche Gleichgewicht der Meeresökosysteme.

Captura Corp will daher autarke CO2-Abscheidungsanlagen entwickeln, die das Meerwasser filtern und den Kohlenstoff entfernen. Dazu wird das Wasser in die Anlage geleitet, wo es in der Captura-eigenen Elektrodialysetechnik verarbeitet wird, die das Wasser in eine Säure und eine Alkalibase trennt.

Die produzierte Säure wird dann in einem speziellen Verfahren mit dem Rest des ursprünglichen Meerwassers gemischt, wodurch ein chemischer Prozess ausgelöst wird, der das Kohlendioxid herauszieht. Das CO2 wird dann aufgefangen und kann gelagert oder zu anderen Produkten verarbeitet werden.

Das saure Meerwasser wiederum wird mit dem Alkali kombiniert, um es zu neutralisieren, bevor es wieder ins Meer entlassen wird. Das neutralisierte, entkarbonisierte Wasser ist nun bereit, wieder Kohlenstoff aufzunehmen, ohne die Versauerung der Ozeane zu verstärken.

Captura Corp

Captura geht davon aus, dass das gesamtes System ohne nennenswerte externe Ressourcen funktionieren kann. Alles, was es benötigt, ist Energie – bereitgestellt durch Sonnenkollektoren – und das Meerwasser selbst. Die Umweltauswirkungen des Betriebs sollen daher minimal sein. Außerdem werden keine speziellen Luftkontaktoren oder Absorptionsmittel benötigt und es entstehen keine Nebenprodukte.

Was bringen CCS-Technologien?

Technologien zur CO2-Abscheidung könnte ein Weg zur Dekarbonisierung unseres Klimas sein, sind jedoch nicht ohne Kritik. Einerseits ist die Technologie noch weitgehend unerprobt, zumindest in dem Umfang, der erforderlich ist, um eine signifikante Wirkung zu erzielen. In der jüngsten Vergangenheit hat es eine Reihe teurer Fehlschläge bei der Kohlenstoffabscheidung gegeben, wie zum Beispiel das Kraftwerk Petra Nova in Texas, und der sehr hohe Energiebedarf hebt aktuell noch die meisten Verfahren der Kohlenstoffreduzierung auf.

Außerdem stellt sich die Frage nach dem Umgang mit dem klimaschädlichen Gas, sobald es abgeschieden ist. Bei RESET haben wir über einige innovative Methoden berichtet, unter anderem auch über die unterirdische Lagerung in stillgelegten Bergwerken. Allerdings könnten Lecks hier in Zukunft zu weiteren Umweltproblemen führen.

Im Rahmen von Projekten zur Kohlenstoffabscheidung wird häufig getestet, in wieweit das Gas verwendet werden kann, um andere Güter – von Beton bis hin zu Diamanten – herzustellen. Solche Unternehmen sind jedoch oft klein und es gibt keine solide Produktionskette für die Wiederverwertung von Kohlenstoff.

Saskpower Einige Betriebe haben die Technologie zur Kohlenstoffabscheidung an ihre Infrastruktur angeschlossen.

Schließlich kann die Beschäftigung mit Verfahren der CO2-Abscheidung auch als „Ablenkung“ von der dringend nötigen, drastischen Reduzierung der CO2-Emissionen – wie sie auch der neue IPCC-Bericht mehr als deutlich fordert, gesehen werden. Tatsächlich sind einige der enthusiastischsten Befürworter der Kohlenstoffabscheidung die Unternehmen für fossile Brennstoffe selbst, da die Technologie die Ära der fossilen Brennstoffe verlängern könnte, anstatt sie zu beenden.

Das Captura-Konzept trägt zumindest teilweise zur Lösung dieser Probleme bei. Es stützt sich auf netzunabhängige erneuerbare Energien und ist nicht speziell an einen industriellen Prozess gebunden. Stattdessen wird versucht, ein Problem – die Versauerung der Ozeane – zu beheben, das bereits im Gange ist.

Angesichts des ehrgeizig anmutenden Konzepts und der wahrscheinlichen zusätzlichen Kosten für Logistik, Wartung und Betrieb stellt sich jedoch die Frage, ob schwimmende Kohlenstoffabscheidungsanlagen langfristig kosteneffektiv sein werden.

Gegenwärtig führt Captura eine Reihe von Demonstrationen durch, um das Konzept zu verfeinern und größere Pilotprojekte auf dem Meer vorzubereiten. Im Jahr 2022 wurde in Newport Beach, Kalifornien, eine eigenständige Pilotanlage errichtet, und für 2023 wird ein weiteres System der nächsten Generation entwickelt.

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Wird der Lkw-Verkehr mithilfe von KI nachhaltiger?

20. März 2023 - 5:38

In der Europäischen Union wurden 2018 rund 76 Prozent aller inländischen Güter über die Straße transportiert. Und in den letzten Jahren ist diese Zahl noch weiter gestiegen. Der Gütertransport über die Schiene ist dagegen zurückgegangen. Dabei ist der Schienenverkehr in der Regel viermal effizienter im Hinblick auf den Kraftstoffverbrauch als Lkws und stößt 75 Prozent weniger Treibhausgase aus.

In Deutschland, wo nur ein Bruchteil der Unternehmen an das Schienennetz angeschlossen sind, werden derzeit nur etwa 19 Prozent der Güter auf der Schiene transportiert. Die Schweiz dagegen wickelt den Güterverkehr überwiegend per Güterzug ab. Doch solange das europäische Schienennetz nicht ausreichend Kapazitäten hat, um den größten Teil des Transportbedarfs zu decken, wird ein großer Teil der Güter weiterhin per Lkw befördert werden.

Aktuell sieht es nicht so aus, als würde der Güterverkehr in absehbarer Zeit zurückgehen: Der E-Commerce boomt und belastet die bestehenden Straßen- und Schienenverkehrswege weiter. Doch die Klimaziele lassen sich nur mit einer Mobilitätswende erreichen – und dazu gehört auch eine umweltbewusste Transportlogistik. Der zusätzliche Effekt: Auch die Abgase in den Städten würden sinken und damit auch die gesundheitsschädlichen Feinstaubemissionen, wie sie herkömmliche Dieselfahrzeuge freisetzen.

Deshalb gibt es in der EU bereits Vorgaben für Flottenbetreibende: Bis 2025 müssen Neufahrzeuge 15 Prozent weniger CO2 gegenüber 2019 ausstoßen, bis 2030 sollen es 30 Prozent sein.

Könnten batterieelektrische Lkw eine Lösung sein?

So deutlich die Zahlen auch sind – die Strecken und Infrastruktur der europäischen Eisenbahn können aktuell nicht den Bedarf im Gütertransport abdecken. Das geht nur mit einem massiven Ausbau der Streckennetze, doch das steht in Deutschland leider viel zu weit hinten auf der politischen Agenda.

Wie also könnten kurz- und mittelfristige Lösungen aussehen, um die CO2-Emissionen in der Logistik zu senken?

Eine Studie, die verschiedene Modelle schwerer Nutzfahrzeuge und Kraftstoffe auf dem europäischen Markt untersuchte, zeigt, dass batterieelektrische Lkw alle anderen Modelle deutlich übertreffen. Im Vergleich zu Diesel-, Erdgas- und Wasserstofffahrzeugen verursachen sie mindestens 63 Prozent weniger Emissionen. Werden sie vollständig mit erneuerbarem Strom betrieben, können die Emissionen sogar um bis zu 92 Prozent schrumpfen. Die vergleichende Analyse, die das ifeu im Projekt „My eRoads“ erstellt hat geht davon aus, dass batterieelektrische Trucks gegenüber Diesel-Trucks etwa die Hälfte der CO2-Emissionen einsparen können – Stromerzeugung und Herstellung der Fahrzeuge sind hier mit eingerechnet.

Die Analyse des ifeu als auch eine Studie von McKinsey, gehen davon aus, dass E-Lkw in Europa, den USA und China schon 2030 bei den Neuzulassungen dominieren könnten.

Tatsächlich nimmt der Ausbau der E-Trucks langsam an Fahrt auf; mehr und mehr neue Fahrzeugmodelle kommen auf den Markt. Weiteren Antrieb könnten die Betriebskosten geben, denn laut der McKinsey-Analyse werden 2030 batterieelektrische und brennstoffzellenbetriebene Lkw in fast allen Segmenten günstiger sein als dieselbetriebene Lkw.

Allerdings sind noch erhebliche Investitionen in die Produktionskapazitäten und Ladeinfrastruktur notwendig. Für städtische Betriebe wie die Abfallwirtschaft oder Verkehrsgesellschaften sollte die Umstellung auf E-Mobility keine großen Hürden darstellen – da diese Fahrzeuge keine weiten Strecken zurücklegen müssen, können diese ohne viel Aufwand auf den Betriebshöfen geladen werden. Langstreckentransporte sind jedoch auf ein dichtes Netz an Ladesäulen angewiesen. Oberleitungs-Lkw und induktives Laden könnten hier dafür sorgen, die Entwicklungen massiv zu beschleunigen.

© Indira Tjokorda/ Unsplash-Lizenz Was kann schon jetzt getan werden?

In Anbetracht der tickenden Klimauhr und der dringend nötigen Reduzierung der CO2-Emissionen auf unseren Straßen sollte also an erster Stelle das Schienennetz massiv ausgebaut und gleichzeitig mit entsprechende Push-and-Pull-Maßnahmen die Umstellung auf E-Trucks weiter vorangetrieben werden. Denn auch wenn diese mindestens die Hälfte der CO2-Emissionen im Vergleich zu Verbrennern einsparen können, so könnte die Bahn sogar auf nahezu null Emissionen kommen.

Gleichzeitig sollte die Tatsache, dass trotz steigender Neuzulassungen an E-Trucks auch 2030 immer noch eine Menge Verbrenner über die Straßen rollen werden, nicht vergessen werden. Daher stellt sich die Frage: Was sind weitere Möglichkeiten, die CO2-Emissionen in bereits bestehenden Flotten schnellstmöglich zu senken?

Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität

Autonome Fahrzeuge, E-Mobility, intelligente Verkehrsplanung, multimodal durch die Stadt – wie sieht die Mobilität von morgen aus? Wir stellen nachhaltig-digitale Lösungen für eine klimaneutrale Fortbewegung und Logistik vor und diskutieren neue Herausforderungen der „digitalen“ Mobilität: Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität

Eine wichtige Maßnahme ist ein effizienterer Lkw-Betrieb, denn das minimiert den unnötigen Einsatz von Ressourcen und Energie und bietet zudem wirtschaftliche Vorteile für Logistikunternehmen. Verschiedene Projekte setzen auf digitale Technologien, um die Effizienz von Lkws in Bezug auf deren Kraftstoffverbrauch zu verbessern.

Das Projekt „FvfT“ zum Beispiel hat eine Anwendung auf Basis künstlicher Intelligenz (KI) entwickelt, um den Kraftstoffverbrauch für einzelne Fahrten vorherzusagen und zu optimieren und so die damit verbundenen Emissionen zu verringern.

Bisher basieren die meisten Kraftstoffverbrauchsprognosen ausschließlich auf Durchschnittswerten, womit es kaum möglich ist, den Verbrauch für einzelne Fahrzeuge, Routen oder bestimmte Tage zu prognostizieren. Mit der Anwendung, die im Projekt FvfT entwickelt wird, sind dagegen individuelle Vorhersagen des Kraftstoffverbrauchs für Lkw-Fahrten möglich. Dazu werden Daten über das Verkehrsaufkommen verknüpft, um Geschwindigkeiten und Fahrverhalten vorherzusagen.

Mit dieser Entwicklung kann nun die Strecke mit dem geringsten Kraftstoffverbrauch ermittelt werden und auf der Webseite forecast.tracks.eco können Vorhersagen für individuelle Fahrten berechnet werden.

Wie digitale Tools den Wandel vorantreiben können

Das Projekt zeigt, dass digitale Tools mehr Transparenz in den Ressourcenverbrauch bringen können und so Unternehmen ermöglichen, die Umweltauswirkungen ihrer Transportvorgänge zu bewerten und Entscheidungen darüber zu treffen, wie sie ihren CO2-Fußabdruck verringern können.

Weitere Möglichkeiten digitaler Anwendungen sind, die Zahl der Leerfahrten von Lkw zu verringern, indem datengesteuerter Systeme beispielsweise Prognosen über verfügbare Frachtvolumen ermitteln. Die Logik dahinter ist ganz einfach: Weniger Fahrten bedeuten weniger Lkws auf der Straße, was wiederum den CO2-Fußabdruck verringert.

Solche Prognosen sind bisher jedoch noch nicht verfügbar. Eine entsprechende Anwendung soll nun im Projekt KITE entwickelt werden.

Bisher sind das natürlich vor allem Potenziale. Die mit diesen Anwendungen tatsächlich möglichen Einsparungen werden sich noch in Forschung und Praxis zeigen müssen.

© Nigel Tadyanehondo/ Unsplash-Lizenz Was bedeutet das für die Zukunft?

Klar ist, dass für eine nachhaltige Lieferkette der Lkw-Transport nicht der richtige Weg ist, wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen. Selbst wenn man auf Elektromobilität umstellt, wird der Schienenverkehr immer die effizientere Wahl bleiben als Straßen, die mit einzelnen Schwerlastfahrzeugen gefüllt sind.

Aber unsere Eisenbahninfrastruktur hat noch einen langen Weg vor sich, da für den weiteren Ausbau große finanzielle Mittel nötig sind – und auch der politische Wille. Bis dahin kann der intelligente Einsatz von Technologien die Transparenz und Effizienz unserer derzeitigen Lieferketten erhöhen.

Dieser Artikel gehört zum Dossier „Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität“. Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers zum Thema „Mission Klimaneutralität – Mit digitalen Lösungen die Transformation vorantreiben“ erstellen.

Mehr Informationen hier.

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Interview: Bewegungsdaten können die nachhaltige urbane Mobilität verbessern. Aber wie bleiben unsere Daten geschützt?

15. März 2023 - 5:59

Mobility-as-a-Service ist der Begriff, der die Zukunft der Mobilität sein soll. Die Idee dahinter ist eine Fortbewegung von A nach B, bei der das Nutzen von verschiedenen Mobilitätsangeboten statt der motorisierte Individualverkehr im Vordergrund steht. Die Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsangebote übernehmen dabei digitale Tools und Plattformen. Statt in den eigenen Pkw zu steigen werden Start und Ziel ins Smartphone getippt und es wird die schnellste, komfortabelste oder CO2-ärmste Route – je nach Wahl der Parameter – angezeigt. Diese kann sich dann aus einen kleinen Strecke zu Fuß, mit dem Rad oder Sharing-Roller, einem Stück mit Bus oder Bahn und vielleicht auch einem On-Demand-Shuttle zusammensetzen, je nach den verfügbaren Mobilitätsangeboten. Greift alles gut zusammen, springt dabei nicht nur eine komfortable Fortbewegung ohne Staus und Parkplatzsuche für die Nutzenden heraus, sondern auch geringere verkehrsbedingte CO2-Emissionen, weniger Lärm und Luftverschmutzung und mehr öffentlicher Raum für das Gemeinwohl.

Damit das nahtlos passiert braucht es jedoch nicht nur Apps und andere digitale Lösungen, die die verschiedenen Angebote zuverlässig verknüpfen, sondern auch ein Verkehrssystem, dass dem tatsächlichen Bedarf angepasst ist. Neben verschiedenen Verkehrs- und Echtzeitdaten – wie zum Beispiel GPS-Daten von Bussen und Bahnen, Fahrplänen, Streckennetzen oder Staumeldungen – sind für Mobility-as-a-Service-Angebote auch Bewegungsdaten interessant, also Daten, die unsere Apps auf den Mobiltelefone per GPS liefern und mit denen die tatsächlichen Bewegungsmuster der Menschen nachvollzogen werden können.

Allerdings handelt es sich um personenbezogene Daten, die viel über Menschen preisgeben können und daher sehr umsichtig gehandhabt werden sollten. Das Projekt freemove beschäftigt sich mit der Erforschung von Mobilitätsdaten. Dabei erkundet das transdisziplinäre Team aus universitären und praktischen Partner*innen aus den Bereichen Machine Learning, Digitale Selbstbestimmung, Human-Centered Computing und Informationssicherheit mögliche technische Lösungen zur Anonymisierung von Bewegungsdaten und entwickelt anhand von Nutzungsszenarien Handlungsempfehlungen für die Praxis.

Markus Sperl koordiniert für die Technologiestiftung Berlin das Projekt freemove. Wir haben uns mit ihm darüber unterhalten, was genau es mit Mobilitätsdaten auf sich hat, warum Bewegungsdaten so interessant für die Mobilitätswende sind und wie sie datenschutzkonform genutzt werden können.

Wenn wir über die Mobilität der Zukunft sprechen kommen wir an dem Thema Mobilitätsdaten nicht vorbei. Was sind das eigentlich konkret für Daten, die in diesem Zusammenhang interessant sind und was soll mit ihnen erreicht werden?

Viele Daten werden unter dem Oberbegriff „Mobilitätsdaten“ gebündelt. Wir beschäftigen uns dabei mit personenbezogenen Bewegungsdaten, die beispielsweise durch Smartphone-Apps per GPS aufgezeichnet werden. Im Gegensatz dazu stehen Mobilitätsdaten ohne Personenbezug, wie ÖPNV-Fahrpläne oder Straßennetze. Da diese keine Datenschutz-Risiko enthalten, sind diese im Rahmen unseres Projekts nicht relevant.

Bewegungsdaten werden zum Beispiel für realistische Verkehrssimulationen genutzt, um Veränderungen durch Straßensperrungen oder Baustellen im Vorhinein einschätzen zu können oder um die Infrastruktur am tatsächlichen Verhalten der Fahrer*innen bedarfsgerecht auszubauen, wie beispielsweise die Flottenpositionierung von Shared-Mobility-Angeboten. Und auch Routing-Algorithmen können mit diesen Daten nach unterschiedlichen Kriterien verbessert werden.

Die etwas verkürzte Vorstellung ist, dass aus einer breiten Datenbasis und detailreichem Wissen über die Art, wie sich Bürger*innen bewegen, optimale Mobilitätslösungen entstehen, die effizienter und nachhaltiger sind, ohne dass man sich an der ein oder anderen Stelle umstellen oder anpassen müsste. Anwendungen, die Verkehr effizienter gestalten, brauchen diese Daten, um Algorithmen zu verbessern – genutzt werden müssen sie aber am Ende von den Verkehrsteilnehmer*innen und ersetzen also nur bedingt ein Umdenken.

Das Projekt freemove wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Projektpartner sind von wissenschaftlicher Seite die Berliner Hochschule für Technik & Wirtschaft Berlin HTW), die Freie Universität (FU), die Technische Universität (TU) und die Universität der Künste Berlin (UdK), erweitert von dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Wie sieht es mit Open Data aus; stehen bereits Bewegungsdaten zur Verfügung, die Verkehrsunternehmen und Stadtplaner*innen nutzen können?

Unseres Wissens nach gibt es kaum nennenswerte Bewegungsdatensätze, die offen als Open Data zugänglich sind, und das auch aus Datenschutzsicht gutem Grund. Was nicht im Umkehrschluss heißt, dass es nicht viele Bewegungsdaten gäbe. Mobilfunkanbieter verkaufen diese teilweise an den ÖPNV und an Verwaltungen.

Offene Verkehrsdaten hingegen gibt es, wie beispielsweise die Mobilithek des BMDV. In Kombination mit dem Mobility Data Space, in dem Unternehmen ihre Daten gegen Gebühr anbieten können – wohl meist für weitere gewinn-generierende Modelle – ist das ja schon mal etwas.

Ich bin bezüglich der Open-Data-Frage zwiegespalten – sensible Daten müssen geschützt werden, vielleicht auch durch organisatorische Maßnahmen wie Zugangsbeschränkungen oder Prozesse, in denen ich als Nutzender nachweisen muss, dass ich ein lauteres Interesse an den Daten verfolge. Gleichzeitig sehe ich nicht unbedingt die größtmögliche Gemeinwohlorientierung in den Produkten, wenn rein privatwirtschaftliche Akteur*innen über diese Daten verfügen. Diese kommt der Erfahrung nach eher aus Verwaltungen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.

Teilen mit Verwaltung soll ja nun auch gesetzgeberisch adressiert werden und ich bin zuversichtlich, dass man in Zukunft Modi finden wird, über die man Individuen schützen, aber gleichzeitig Potenziale trotzdem ausschöpfen kann.

© Chang Hsien/ Unsplash-Lizenz Kennst du Städte oder einzelne Verkehrsbetriebe, die bereits Bewegungsdaten im ÖPNV einsetzen? Wie ist der Umgang dort mit den sensiblen Daten?

In mehr oder weniger intensiver Form ist das mittlerweile bei den meisten Verkehrsbetrieben usus – beispielsweise generieren Bahn, BVG und Co. bereits Auslastungsprognosen, nutzen automatische Fahrgastzählungen und führen Haushaltsbefragungen durch. Gleichzeitig fehlt, insbesondere in kleinen Städten, oft die datenwissenschaftliche Expertise, um die Potenziale tatsächlich auszuschöpfen.

Allgemein können wir sagen, dass der Umgang mit sensiblen Daten in der Praxis ausbaufähig ist – aber wir kommen da aus den akademischen Diskursen natürlich auch mit sehr hohen Anforderungen.

Warum ist die Gewinnung von Bewegungsdaten so sensibel? Und wie könnten wir die Daten so nutzen, dass die Privatsphäre gewahrt bleibt?

Bewegungsprofile sind hoch individuell und können potenziell Informationen beinhalten, die unsere Privatsphäre betreffen, seien es Arztbesuche oder andere Bewegungsmuster, die Rückschlüsse auf Lebensstilfragen wie Sexualität, religiöse Praxis oder dergleichen zulassen. Die Gewinnung dieser Daten ist problematisch, weil sie oftmals geschieht, ohne dass Nutzer*innen reflektierten und bewusst zugestimmt hätten. Sein wir ehrlich – Datenschutzbestimmungen werden in den seltensten Fällen gelesen und App-Berechtigungen meist im Auto-Pilot eingestellt, um möglichst schnell den gewünschten Service nutzen zu können.

Gewahrt wird die Privatsphäre, indem ich Nutzende auf eine Art und Weise über Praktiken und Risiken informiere, dass sie „wirklich“ zustimmen. Und indem ich als Datenverarbeiter*in Sicherheitsvorkehrungen treffe, beispielsweise wenig Rohdatenzugriffe habe oder neue Technologien nutze, welche Privatsphäre erhalten. Das ist ein vitales Feld, indem sich gerade viel tut – Differential Privacy ist eines der bekannteren Beispiele.

Differential Privacy

Beim Schutz von sensiblen Daten ist die Verschlüsselung ein etabliertes Instrument. Allerdings wird dadurch auch die Verarbeitbarkeit der Daten eingeschränkt.
Differential Privacy ist dagegen ein Verfahren, mit dem Informationen veröffentlicht werden können, ohne sie zu verschlüsseln, aber unter Wahrung der Privatsphäre. Dazu werden die Daten mit Rauschen versehen, so dass keine eindeutigen Aussagen mehr über bestimmte Eigenschaften der Daten getroffen werden können.

Wie geht ihr im Projekt freemove vor?

Wir arbeiten Use-Case-basiert. Nach mehreren Praxisaustauschen haben wir uns auf Basis der Ergebnisse und dem, was wir an Wissen als Konsortium einbringen können, für drei Use-Cases entschieden. Zum einen arbeiten wir zu Standardverfahren der Bewegungsdatenanalyse, zweitens zu Open Data und Rohdatenformaten und drittens an Citizen-Science- bzw. Datenspendenplattformen und deren technischer Umsetzung.

Wir haben gemeinsam mit Studierenden einen kleinen Datensatz erhoben, an dem wir nun Anonymisierungstechnologien testen. Das Hauptziel ist aber eine Untersuchung der Informationsgüte in Richtung der Datenspendenden.

Welche Rolle spielen Citizen-Science-Projekte wie FixMyBerlin oder Berlin zählt Mobilität vom ADFC bei der Verkehrswende?

Solche Projekte können wichtige Impulse setzen und Agenden mitprägen, werden aber in puncto generierter Datenmenge kaum Bedürfnisse decken können. Es wird am Ende auf eine Kombination unterschiedlicher Datenquellen hinauslaufen. Für die Wissenschaft sind solche Projekte selbstverständlich trotzdem wichtig, da sie Daten generieren, um Teilfragen zu lösen. Und das hohe Interesse daran ist durchaus ein Anzeichen dafür, dass Bürger*innen für die „richtigen“ Zwecke Teile ihrer Privatsphäre auch aufzugeben bereit sind.

Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität

Autonome Fahrzeuge, E-Mobility, intelligente Verkehrsplanung, multimodal durch die Stadt – wie sieht die Mobilität von morgen aus? Wir stellen nachhaltig-digitale Lösungen für eine klimaneutrale Fortbewegung und Logistik vor und diskutieren neue Herausforderungen der „digitalen“ Mobilität: Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität

Ihr sagt, dass die gewonnen Daten Wissenschaft und Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden sollen; wie sieht das genau aus? Im Sinne eines attraktiveren und optimierten Nahverkehrs wäre es ja sinnvoll, sie für möglichst viele Verkehrsunternehmen nutzbar machen zu können, oder?

Was sich in der Praxis zeigt ist, dass Datenschutzbedenken und Schutz von Geschäftsgeheimnissen von Privatunternehmen als Argumente genutzt werden, um das Teilen von eigenen Daten zu unterbinden. Sofern in den Daten aber ein Mehrwert für das Gemeinwohl steckt, sprechen wir uns dafür aus, sie unter bestimmten Bedingungen zu teilen; also wenn Anonymisierungstechnologien richtig angewendet und die Daten ausreichend grob aggregiert wurden.

Im Endeffekt geht es ja darum, die DSGVO richtig und normativ sinnvoll zu interpretieren und in ihrem gesetzlichen Rahmen gemeinwohlorientiert zu agieren. Auf welchen Plattformen und über welche genauen Übermittlungswege das am Ende passiert, ist eine andere Fragestellung.

Wie steht ihr gerade im Rahmen des Projekts? Was sind die nächsten Schritte von freemove?

Wir sind im letzten Projektjahr und beginnen gerade unser drittes Nutzungsszenario zu Datenspendeplattformen. Gleichzeitig bereiten wir eine Konferenz für einen ausführlicheren Praxis-Austausch vor, die am 27. September 2023 stattfinden wird. Und wir arbeiten an der Gestaltung einer Informationsplattform für datenschutzzentriertes Agieren mit Bewegungsdaten.

© Timon Studler/ Unsplash-Lizenz Was sagst du, was braucht es neben einen guten Datenbasis noch für eine nachhaltige Mobilität bzw. für einen gut funktionierenden ÖPNV?

Vor allem braucht es Investitionen, von Personal über Infrastruktur bis zur Qualität der Bahnen und Busse. Solange nicht ein Mindestmaß an Attraktivität durch Sicherheit, Schnelligkeit, gut ausgebaute Netze und Zuverlässigkeit gegeben ist, wird das mit der Mobilitätswende schwierig. Auch der Preis ist am Ende eine nachvollziehbar wichtige Komponente – nachhaltige Mobilität darf nicht mehr Geld kosten als weiter einfach Auto zu fahren.

Ich würde mir eine klare Förderung aktiver Bewegungsmodi vom Rad bis zum/r Fußgänger*in wünschen, begleitet von einem leistungsfähigen ÖPNV – in Kontexten, in denen das sinnvoll umsetzbar ist. Klar sind auch Dateninstitute wichtig, die alleinige Lösung können sie aber nicht sein.

Markus, vielen Dank für das Interview!

Dieser Artikel gehört zum Dossier „Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität“. Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers zum Thema „Mission Klimaneutralität – Mit digitalen Lösungen die Transformation vorantreiben“ erstellen.

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Regenwaldschutz mit digitalen Lösungen: „Digitalisierung macht Entwicklungen sichtbar, so dass sie von niemandem mehr negiert werden können.“

13. März 2023 - 5:50

Im Rahmen eines Kooperationsprojekts mit der GIZ untersucht Stephan Bohn am Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) zusammen mit Kolleg*innen, in wie weit sich digitale Tools und Plattformen auf den Regenwaldschutz in Indonesien auswirken.

Stephan Bohn ist Senior Researcher am HIIG und Projektleiter im Bereich Innovation, Entrepreneurship & Gesellschaft. Dort beschäftigt er sich mit den Themen digitales Organisieren, Nachhaltigkeit, Open-Source und Plattformen.

Was hat Indonesien für euch so interessant gemacht?

Einerseits ist Indonesien ein aufstrebendes Land, was unter andern durch den G20- Gipfel letztes Jahr in Bali sichtbar geworden ist. Immerhin ist es das viertgrößte Land der Welt mit rund 17.000 Inseln und ungefähr 280 Millionen Einwohnern. Es ist ein modernes und junges Land. Das zeigt sich auch in der Bildung, Universitäten werden gegründet, das Digitale spielt eine ähnlich große Rolle wie bei uns. Es gibt sehr viele, sehr gut ausgebildete junge Leute, die mit den gleichen Tools arbeiten, mit denen wir arbeiten, und die ähnliche Ideen haben.

Insbesondere befindet sich aber in Indonesien der drittgrößte Regenwald der Welt, nach Brasilien und Kongo. Die Probleme sind allerdings auch ähnlich, Abholzung und landwirtschaftliche Nutzung durch Palmölplantagen. Da ist ja eine der großen Frage, wie kann man die Abhängigkeit von Palmöl reduzieren. Außerdem gibt es sehr viele verheerende Waldbrände. 2015 zum Beispiel ist eine Fläche so groß wie ein mittelgroßes Bundesland abgebrannt.

Diese Situation mit dem digitalen Potenzial zusammenzubringen ist natürlich interessant.

Ja, genau. Das Thema Regenwaldschutz und Digitalisierung ist natürlich nicht neu, aber es bietet das Potenzial ungelöste Fragen auf einer alternativen Art und Weise zu bearbeiten. Zum Beispiel werden Drohnen genutzt, um Saatgut in abgelegenen Regionen auszubringen, schließlich sollen nicht überall Straßen gebaut werden, weil das die Abholzung nur begünstigen würde.

Ein anderer Part sind diverse digitale Plattform die Informationen über den Regenwald sammeln und zusammenbringen. Beispielsweise werden Social Media Posts als Tools zur Früherkennung von Bränden und anderen Problemen genutzt.

Ja, ich kenne das auch aus der Früherkennung von Epidemien zum Beispiel.

Genau. Man bündelt die Posts aus Social-Media-Kanälen, man folgt sozusagen den digitalen Spuren, die wir alle hinterlassen, um zu schauen, wo Probleme entstehen.

Es agieren aber auch internationale Unternehmen im Regenwaldschutz, oder?

Ja, wir haben auch mit Unternehmen gearbeitet die Apps und GPS nutzen, um Produkte wie Soja oder Palmöl zu tracken und zu messen, wie nachhaltig diese tatsächlich produziert werden. Im Idealfall kann man als Konsument oder Unternehmen damit ebenso nachvollziehen, wo ein Produkt genau herkommt, etwa von einer gerodeten Fläche oder aus einem traditionellen Anbaugebiet.

Die Nachvollziehbarkeit ist enorm wichtig nicht zuletzt bezüglich der neuen Lieferketten- und Transparenzgesetze. Und es gibt eine ganze Reihe von Startups und Unternehmen, die da sehr aktiv sind. Hier sieht man, was Digitalisierung als erstes leisten kann: Entwicklungen und Dinge nicht nur messbar, sondern so sichtbar zu machen, dass sie nicht negiert werden können, von keiner Regierung, von keinem Unternehmen. GlobalForestWatch zum Beispiel liefert Karten und Informationen zu den Wäldern der ganzen Erde. Mit einem Klick wird klar, wo überall Wald zerstört wird oder sich verändert – nicht nur im Regenwaldgebiet, sondern natürlich auch in Europa.

Für das Sichtbarmachen braucht es aber auch eine gute Datenbasis. Woher kommen diese Daten?

NASA-Daten zum Beispiel und die Daten der europäischen Raumfahrtorganisation ESA, die regelmäßig Karten aktualisieren. Die Satellitendaten sind mittlerweile so gut, dass man einzelne Bäume sieht… oder eben nicht. Das sind Daten, die für jeden zugänglich sind.

Dieser offene Zugang ist essenziell. Es gibt lokale Projekte, die diese Daten nutzen und mit ihren eigenen lokalen Daten zusammenbringen zum Beispiel zu Waldbränden und der Gesundheit des Waldes. Diese beiden Datenkomponenten zu verbinden, dafür braucht es Akteure vor Ort, Open Data und digitale Tools, die das unterstützen.

HIIG Open Data, der freie Datenzugang, ist ein großes Thema.

Ja, das kann sonst auch zu Problemen führen, wenn Projekten offene Daten verwenden aber der freie Datenzugang später beschränkt wird und damit die Tools nutzlos werden. Offene Satellitendaten werden von vielen genutzt, aber Daten von Vorort sind genauso wichtig und werden nicht unbedingt geteilt. Dafür ist Vernetzung, Kollaborationen und Austausch wichtig.

Ich denke, dass ist noch aus einem anderen Grund wichtig. Wir schauen uns mit RESET ja viele Projekte und Startups an und sehen oft, dass gleiche Ansätze immer wieder neu entwickelt werden. Und ich denke, dass ist oftmals auch ein Ausdruck von fehlender Netzwerkarbeit.

Hubs fehlen leider überall. Das ist nicht nur in Indonesien so, sondern auch in Vietnam und anderen Ländern. Dafür braucht man natürlich langfristige Ressourcen, Vernetzung und Kooperation.

Du hast ja schon seinige Beispiele genannt. Aber gibt es Bereiche, wo viel mehr passiert als in anderen?

Eines der Kernprobleme in Indonesien sind Waldbrände, ein Bereich in dem man leicht etwas tun kann, ohne politisch anzuecken. Um Waldbrände zu verhindern gibt es eine Vielzahl an Ideen zur Früherkennung durch Echtzeit-Daten und durch die Überwachung mit Drohnen. Torfwälder brennen zum Teil auch unterirdisch. Da helfen Drohnen mit sensiblen Messgeräten, die auch unterirdisch Wärme und Feuer erkennen können.

Viele Regenwaldschutzprojekte nutzen bereits Drohnen, um frühzeitig Feuer zu erkennen. Aber es ist nicht so, dass das flächendeckend genutzt wird. Das sind eher einzelne Projekte, insofern gibt es eine Menge Potenzial. Es braucht Piloten die die Drohnen vom Boden aus steuern, es muss Leute geben, die mit den Daten arbeiten können, und auch eine Feuerwehr, die in abgelegenen Gebieten Feuer löschen kann. Ich würde sagen, das ist eines der Themen, die am naheliegendsten sind und wo es eigentlich viele Partner gibt, um das flächendeckend zu implementieren.

Gibt es noch andere Bereiche beim Regenwaldschutz in Indonesien, wo sich viele Projekte angesiedelt haben?

Im Wesentlichen geht es tatsächlich um Monitoring. Die GIS-Daten werden auch für andere Projekte genutzt, für Modellierungen zum Beispiel, bei denen Entwicklungen sichtbar gemacht werden. Wenn der World-Carbon-Market kommt, wird es natürlich noch wichtiger zu messen, wie viel die verschiedenen Regenwaldschutzprojekt tatsächlich an CO2 sparen. Und diese Sichtbarmachung und Messung ist auch eine wichtige Finanzierungsmöglichkeit für die Regenwaldprojekte.

HIIG Digitale Lösungen sorgen hier also für mehr Transparenz?

Ja, genau. Man kann mit Digitalisierung auch viel verstecken, aber man kann auch Transparenz schaffen. Wir haben zum Beispiel einige Partner aus dem Social-Media-Bereich, also Blogger, Journalisten und Journalistinnen, die auf Instagram, Facebook und allen großen Social-Media-Kanälen ihre Themen platzieren. Und das sind auch viele grüne Themen, die eine junge Zielgruppe ansprechen. Auf diesem Weg schafft die Digitalisierung auch eine gewisse Awareness und du kannst Zielgruppen erreichen, die sonst wenig über die Themen Regenwald und Nachhaltigkeit erfahren. In den Mainstream-Medien in Indonesien spielen diese Themen keine große Rolle. Digitalisierung schafft also eine andere Öffentlichkeit und ermöglicht, dass sich unterschiedliche Akteure vernetzen.

Hier gibt es ja auch eine sehr kritische Auseinandersetzung mit sozialen Medien, wo es viel um die Themen „Filterblase“ und Fake News geht, um eine gesellschaftliche Fragmentierung. Und gleichzeitig entstehen daraus ja auch sehr gut vernetzet, internationale Bewegungen, wie zum Beispiel auch Fridays for Future.

Ja, das ist in vielen Ländern ein Thema, aber Social-Media Plattformen bieten eben auch große Vorteile. In Indonesien, wo der Regenwaldschutz zum Beispiel politisch und medial kein großes Thema ist, kann man natürlich durch die Apps und Tools eine eigene Öffentlichkeit schaffen. Das sind sicher ganz ähnliche Mechanismen wie bei der FakeNews Diskussion aber der Background ist ein anderer. Und deswegen ist es auch so schwer, über soziale Medien zu urteilen. Und in Ländern wie Indonesien sieht man, dass damit einiges aufgebrochen werden kann. Ohne Social Media wären ganz viele Entwicklungen nicht möglich, wie zum Beispiel weltweite soziale Bewegungen, die gemeinsam an einem Thema arbeiten. Fridays for Future ist ein Beispiel dafür.

Was sind deine Erfahrungen; wie groß schätzt du das Potenzial digitaler Technologien im Regenwaldschutz ein?

Ich sehe es als eine Komponente von vielen. Natürlich nutzen Projekte zur Brandbekämpfung wenig, wenn gleichzeitig der Wald in anderen Gebieten abgeholzt wird. Das ist insbesondere auch eine politische Entscheidung. Wenn aber der Regenwald stärker geschützt werden soll, dann sind digitale Tools ein wichtiger Schritt, um die Probleme sichtbar zu machen und zur Lösung beizutragen. Keine Regierung der Welt kann mehr sagen, nee, bei uns ist alles in Ordnung, wenn gleichzeitig große Teile des Waldes abgeholzt bzw. gerodet werden. Das wird durch digitale Karten und Daten einfach zu offensichtlich.

Diese Transparenz ist essentiell, so ähnlich wie mit dem Waldsterben in den 80er in Deutschland. Es muss sichtbar werden, vielleicht fühlbar. Dieser Wald ist so vielfältig und wichtig für uns und er ist atemberaubend schön. Das Sichtbarmachen ist eines der wichtigsten Potenziale. Und das andere ist, wirklich die Vernetzung und Awareness zu schaffen. Wenn man schon kein physisches Hub hat, dann zumindest ein digitales.

Der Impact oder die tatsächliche Wirkung von digitalen Lösungen steht und fällt aber letztlich damit, in was für einen politischen Rahmen das Ganze eingebettet ist, oder?

Richtig. Es gibt einige Grundvoraussetzungen, die gegeben sein müssen. Wir brauchen zum Beispiel offene Daten, die auch langfristig offen sein müssen. Und der weltweite CO2 Markt setzt die Rahmenbedingungen, genau wie Lieferkettengesetze. Das heißt, die Gesetze, die wir hier machen, haben direkte Auswirkungen.

In Deutschland und Europa wird immer weniger CO2 emittiert, in anderen Ländern immer mehr. Aber die Wirtschaftsströme funktionieren ja so, dass viele der Produkte, die in Ländern wie China und Indonesien produziert werden, nach Europa exportiert werden. Das CO2 wird also weiterhin für unsere Art des Lebens emittiert, wenn auch nicht mehr vor unserer Haustür.

Vielen Dank für das Interview, Stephan!

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Der stete Tropfen: Rüstet “Smart-Water-Monitoring” unsere Wasserversorgung für die Zukunft?

9. März 2023 - 5:01

Dass Bürger*innen in Deutschland zum Wassersparen aufgefordert werden, war 2022 noch sehr ungewohnt. Prognosen wie der Environmental Outlook to 2050 der OECD weisen aber schon seit Jahren darauf hin, dass Wasserknappheit ohne politisches Entgegenwirken weltweit zu einem massiven Problem wird. Neben dem Festsetzen und Einhalten von Klimazielen ist es aber vor allem der Umgang mit Wasser, der sich zukünftig ändern muss. Denn weltweit verlieren wir zwischen 30 und 45 Prozent des aufbereiteten Frischwassers durch Rohrbrüche und Lecks in Wasserleitungen.

Versorgungssysteme für Frischwasser sind je nach Standort und Bevölkerungsdichte sehr komplex. In Berlin beispielsweise wird aufbereitetes Wasser über ein Netzwerk aus Rohren und Leitungen befördert, die zusammengerechnet etwa 7800 Kilometer lang sind. Zählen wir auch die Abwasserkanäle hinzu, ergibt sich eine Gesamtlänge von über 17.000 Kilometern. Tritt hier an einer Stelle Wasser aus, ist es entsprechend schwer, die Schwachstelle zu finden.

Der Einsatz von Sensoren, die den Wasserdruck in Echtzeit überprüfen und Störfälle umgehend melden, wäre eine Möglichkeit zur Eindämmung dieses Wasserverlustes. Aber wie kritisch ist der Verlust an Frischwasser überhaupt?

Einige Länder verlieren bis zu 40 Prozent des aufbereiteten Frischwassers

Weltweit liegt der Anteil an “Non-Revenue-Water” in der Wasserversorgung etwa zwischen 30 und 45 Prozent. Die International Water Association (IWA) schließt in diesem Begriff neben Wasserverlusten durch reale Lecks allerdings auch scheinbare Verluste wie Diebstahl und Messungenauigkeiten sowie kostenlos zur Verfügung gestelltes Wasser, etwa zur Brandbekämpfung, ein.

Während der Anteil an Non-Revenue-Water, kurz NRW, in Deutschland je nach Quelle zwischen fünf und zehn Prozent beträgt, schneiden andere Länder deutlich schlechter ab. In Norwegen und Kroatien gehen im öffentlichen Trinkwassernetz beispielsweise über 30 Prozent verloren, in Uganda und Italien sind es sogar über 40 Prozent. England verzeichnete allein im Jahr 2021 Verluste von ungefähr einer Billion Liter Wasser durch undichte Rohre.

Dass derartige Verluste zukünftig nicht mehr einfach durch einen Überschuss an Frischwasser ausgeglichen werden können, wird in Prognosen zur Wasserknappheit sehr deutlich.

Mit weniger Wasserverlust gegen die Knappheit

Denn in den nächsten Jahren werden immer mehr Menschen unter einem Mangel an Wasser leiden. Die Ursachen sind vielfältig, setzen sich aber vor allem aus der globalen Erderwärmung, dem Bevölkerungswachstum und eben der Wasserverschmutzung und -übernutzung zusammen. Während der Bedarf an Wasser, der in vielen Regionen schon jetzt kaum ausreicht, weiter ansteigt, nimmt die Verfügbarkeit von sauberem Trinkwasser überall auf der Welt ab.

Trockene und besonders heiße Regionen, wie die bereits thematisierten Länder Uganda und Italien, sind davon besonders stark betroffen. Aber auch deutsche Böden haben in den letzten 20 Jahren eine Gesamtmenge an Wasser verloren, die etwa dem Volumen des Bodensees entspricht.

Wasser durch Lecks in Versorgungssystemen zu verlieren, geht zudem mit einer höheren Umweltbelastung einher. Denn hierbei entstehen nicht nur Folgeschäden in der Infrastruktur, die es ressourcenaufwendig zu beheben gilt. Das Wasser geht aus dem Kreislauf der Wiederaufbereitung verloren und sickert in Abwassersammelbecken oder in das Erdreich. Die Rückgewinnung ist dann kostspielig und steigert die CO2-Bilanz unserer Wasserversorgung.

Lecks in Wasserleitungen frühzeitig erkennen – der Pydro “PT1”

Wie untereinander vernetzte Sensoren zur Erkennung von Lecks in Wasserleitungen funktionieren, zeigt das deutsche Startup Pydro. Dieses entwickelte mit dem “PT1” einen Durchflussmesser für Wasserohre, welcher sich selbst mit Energie versorgen kann – und der bereits marktverfügbar ist.

Pydro Der Pydro PT1 gewinnt den benötigten Strom über eine Turbine aus dem Wasserfluss.

Das Messgerät, welches als Verbindungsstück zwischen zwei Wasserrohren installiert wird, ist dafür mit einem Ringpropeller ausgestattet. Der Wasserdruck in den Rohren bringt diesen in Bewegung, wodurch der PT1 wiederum Strom gewinnt. Laut Herstellerangaben reiche ein geringer Widerstand aus, um Sensoren und Übertragungselektronik mit Strom zu versorgen. Für den Wasserkreislauf bedeute das nur einen geringen Druckverlust von 0,2 Bar.

Die gewonnenen Daten überträgt der PT1 über das Mobilfunknetz in Echtzeit an einen Server. Pydro bietet die Überwachung von Wassernetzwerken dabei als Dienstleistung an. Die entsprechende Software sowie eine Beratung zur Fehlerbehebung ist darin gleich enthalten. Sobald ein ungewöhnlicher Abfall des Wasserdrucks an einer Stelle erkannt wird, können Netzbetreiber umgehend und präzise reagieren.

Energieautarkie eignet sich auch für Länder mit geringem Elektrifizierungsgrad

Dass Pydros Durchflussmesser ihren eigenen Strom gewinnen, löst zudem ein Problem dezentraler Überwachungssysteme. Denn um eine weitreichende Überwachung zu gewährleisten, müssen die Sensoren auch an Orten einsetzbar sein, die kilometerweit vom Stromnetzwerk entfernt sind.

Während die Energieversorgung in Ballungsgebieten weniger problematisch ist, bringt Pydros Überwachungssystem in ländlichen Regionen oder in Ländern mit geringem Elektrifizierungsgrad die nötige Unabhängigkeit vom Stromnetz. Neben der höheren Flexibilität gewährleisten die Sensoren auch eine Überwachung während Blackouts oder andauernden Stromausfällen.

In zukünftigen Produkten möchte Pydro seine Durchflussmesser zudem zur Steuerung des Wasserdurchflusses einsetzen. Wie Pydro-Gründer Mulundu Sichone in einem Interview verriet, ließe sich hierdurch die Belastung auf Wasserohre senken. Denn damit Wasser wie in Deutschland beim Aufdrehen des Hahns direkt verfügbar ist, muss in den Leitungen genügend Druck vorhanden sein. Der benötigte Überdruck zu Verbrauchsspitzenzeiten sei einer der Hauptgründe dafür, dass Lecks und Schäden überhaupt entstehen.

Pydro Pydro-Gründer Mulundu Sichone mit einem der Systeme.
“Etwas Fremdes in sein System zu lassen, birgt immer auch Gefahren”

Für die Entwicklung des PT1 hat Pydro bereits wichtige Partner*innen gewinnen können, darunter die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie die Europäische Union. Zudem ist Pydro eines von 40 Unternehmen, die das Europäische Institut für Innovation und Technologie im Jahr 2022 zur Bekämpfung von Wasserknappheit auswählte.

Die Verbreitung des Pydro PT1 soll bis 2025 auf 8.200 Systeme ansteigen, allerdings sind im Gründungsland Deutschland viele Versorger noch zurückhaltend. Anfang letzten Jahres kam Pydros Sensor-Netzwerk-System lediglich in Gelsenkirchen zum Einsatz.

Warum werden unsere Wasserleitungen also noch nicht mit modernen Sensoren ausgestattet?

Die Pressesprecherin der Berliner Wasserbetriebe Astrid Hackenesch-Rump begründete dies im Gespräch mit RESET damit, dass die Verluste an Frischwasser in Berlin und in Deutschland bereits sehr gering seien. In der Hauptstadt gingen lediglich drei Prozent des Frischwassers in Rohrbrüchen und Lecks verloren. Die Strategie zur Instandhaltung des Berliner Wassernetzwerkes funktioniere demnach bereits ausreichend zuverlässig.

Statt auf ausgeklügelter Sensorik beruhe die bisherige Strategie auf Erfahrungswerten über verwendete Materialien, vergangene Reparaturen und geplante Modernisierungsmaßnahmen. Unter Einbezug äußerer Einflüsse wie dem Verkehrsaufkommen über den Leitungen ließe sich das Netzwerk auch über die aktuellen Systeme zuverlässig instand halten.

Vorhandene Leitungen mit neuen Sensoren aufzurüsten, sei zudem nicht unbedenklich. Etwas “Fremdes” in ein sicheres System einzubauen, erhöhe die Gefahr von Schäden und Verunreinigungen. Das Risiko ist insgesamt also zu hoch als dass es sich lohnen würde, die ohnehin schon geringen Verluste weiter zu optimieren.

Verluste lassen sich künftig nicht mehr durch Überschuss ausgleichen

Die Echtzeit-Überwachung unserer Wasserversorgung ist also nicht die einzige Möglichkeit, ausreichend verlustfrei mit Frischwasser umzugehen. Allerdings beruht die Strategie der Berliner Wasserbetriebe auf Daten, die seit vielen Jahrzehnten akribisch aufgezeichnet wurden.

Die Wasserverluste in anderen Ländern zeigen hingegen sehr deutlich, dass die eingesetzten Systeme zur Leckerkennung nicht überall zuverlässig genug sind. Neue Technologien könnten hier also durchaus sinnvoll eingesetzt werden.

Die Bewertung des verlorenen Wassers als “Non-Revenue” verdeutlicht zudem, dass der Wasserverlust hauptsächlich als finanzieller Verlust diskutiert wird. Diese können Wasserwerke über ihre Preisgestaltung recht simpel an Bürger*innen weitergeben. Ein finanzieller Druck, die Wasserverluste zu minimieren, ist also kaum vorhanden.

Die Dringlichkeit, Frischwasserverluste mit Überwachungssystemen wie dem PT1 zu vermindern, muss daher auf politischer Ebene diskutiert werden. Denn während das verloren gegangene Wasser aktuell noch durch einen Überfluss ausgeglichen werden kann, wird das in vielen Teilen der Welt schon in wenigen Jahren nicht mehr möglich sein.

Das Potenzial derartiger Technologien ist dafür groß genug. Laut Pydro-Gründer Mulundu Sichone ließen sich über die dezentrale Überwachung in der Wasserversorgung weltweit 13,5 Milliarden Liter Wasser und 27 Millionen Kilowattstunden Energie am Tag einsparen.

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Sind Ducktrains die nachhaltige Antwort auf die Last-Mile-Logistik in unseren Städten?

6. März 2023 - 5:47

„Stell dir vor du lebst in einer Stadt, in der die Straßen nicht durch sperrige und schmutzige Lieferwagen gefüllt sind, sondern kleine und intelligente Fahrzeuge hintereinander.“

Das ist die Zukunft, wie sie sich das Aachener Logistik-Startup Ducktrain vorstellt. Ihre emissionsfreie urbane Logistiklösung soll die Art und Weise, wie wir Güter transportieren, durch den Einsatz kleinerer, kompakter Fahrzeuge, die besser für unsere Straßen geeignet sind, umkrempeln. Eine Flotte aus Elektrofahrzeuge, die sich in ihrem Aussehen irgendwo zwischen einem Anhänger und einem Smart bewegen, soll spritschluckenden Lastwagen und Lieferwagen, die unsere Städte verschmutzen und unsere Straßen verstopfen, ersetzen. Aufgrund ihrer geringen Größe (ein Meter Durchmesser und etwas mehr als das Doppelte in der Länge) sind sie wesentlich flexibler als Lieferwagen und können auf belebten Straßen bis zum Zielort fahren, ohne zu parken oder ein zusätzliches Transportmittel für die „last mile“ in Anspruch nehmen zu müssen.

In Wirklichkeit sind es die letzten ein bis drei Meilen, und der Begriff „letzte Meile“ ist schnell definiert. Es handelt sich dabei um die Lieferung von Waren zum Beispiel aus Supermärkten, Lebensmittelgeschäften und Restaurants in die Hände der Verbraucher*innen. Wenn du zum Beispiel deine Einkäufe online bestellst, ist das die letzte Etappe der Reise deines Salats – vom Depot oder Supermarkt bis zu deiner Haustür. Doch auch wenn es sich kurz anhört, ist der Transport auf der letzten Meile einer der größten Verursacher der weltweiten CO2-Emissionen und für einen erheblichen Teil der Luftverschmutzung in unseren Städten verantwortlich.

Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität

Autonome Fahrzeuge, E-Mobility, intelligente Verkehrsplanung, multimodal durch die Stadt – wie sieht die Mobilität von morgen aus? Wir stellen nachhaltig-digitale Lösungen für eine klimaneutrale Fortbewegung und Logistik vor und diskutieren neue Herausforderungen der „digitalen“ Mobilität: Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität

Aufgrund ihres hohen Ladevolumens (eine einzelne „Duck“ trägt bis zu 300 Kilogramm und ein ganzer „Ducktrain“ 1,5 Tonnen) müssen die kleinen Fahrzeuge nicht so häufig umgeladen werden wie Verkehrsmittel, die traditionell die letzte Meile befördern. Selbst Öko-Varianten des Last-Mile-Transports wie Lastenfahrräder sind auf kostenintensive innerstädtische Logistikeinrichtungen angewiesen. Ducktrain will dieses Problem lösen, indem jede Duck eine größere Anzahl von Lieferungen übernehmen kann.

Eine einzelne Duck ist vielseitig genug, um auf der Straße, auf Fahrradwegen und sogar auf dem Bürgersteig zu fahren. Die standardmäßige Trailer-Duck kann hinten an ein Fahrrad angehängt und mit Hilfe einer intelligenten und kräftefreien Deichsel gezogen werden, die Beschleunigung und Bremsen erkennt und die Trailer-Duck steuert, was für die Fahrenden keine zusätzliche Anstrengung bedeutet. Die Ducks können auch kombiniert werden, um hintereinander in einer Reihe zu fahren, wie Waggons in einem Zug. Diese können sich dann jederzeit aufteilen, um weiter getrennte Strecken zu fahren. Bis 2025 sollen die kleinen Transportvehikel dann sogar völlig autonom unterwegs sein können.

Schritte zu einer nachhaltigeren Logistik sind unerlässlich, da wir dem Ziel der Klimaneutralität bis 2030 immer näher kommen. Laut dem Europäischen Mobilitätsatlas 2021 sind „nachhaltiger Verkehr und nachhaltige Mobilität der Schlüssel zur Bewältigung der Klimakrise und zur Erreichung der Ziele des Europäischen Green Deal“.

Das Ausmaß des Problems selbst macht diesen Sektor zu einem vielversprechenden, aber auch sehr schwierigen Bereich. Der Verkehr ist heute für fast 30 Prozent der CO2-Emissionen in der Europäischen Union verantwortlich. Und was noch schlimmer ist: Es wird ein weiterer Anstieg prognostiziert. Nach Angaben des Weltwirtschaftsforums wird es bis 2030 in 100 Großstädten weltweit einen Anstieg der Lieferflotten um 36 Prozent geben, was zu einem weiteren Anstieg der globalen Kohlenstoffemissionen um 30 Prozent führen könnte. Das bedeutet, dass sich das Problem der durch Transport und Logistik verursachten Emissionen eher verschlimmern könnte – doch wir haben keine Zeit zu verlieren.

Die Frage bleibt: Wie kann die EU ihre Verkehrs- und Mobilitätsemissionen reduzieren und gleichzeitig die Bürger*innen verbinden, grüne Arbeitsplätze schaffen und die Innovation in diesem Sektor anführen? Intelligente, wendige Lösungen wie Ducktrain mögen zwar klein sein, können aber durchaus einen Teil zur Lösung beitragen, indem sie Logistik neu denken.

Dieser Artikel gehört zum Dossier „Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität“. Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers zum Thema „Mission Klimaneutralität – Mit digitalen Lösungen die Transformation vorantreiben“ erstellen.

Mehr Informationen hier.

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Nimmt die E-Mobilität endlich an Fahrt auf?

1. März 2023 - 9:20

E-Mobilität ist kein neues Konzept. Schon seit Jahrzehnten wird Elektrizität zum Antrieb von Autos, Zügen bis hin zu Raumfahrzeugen genutzt. Das wachsende Bewusstsein für die Klimakrise, aber auch steigende Spritpreise haben die Entwicklung von Elektrofahrzeugen in den letzten Jahren beschleunigt und Anreize dafür geschaffen, dass immer mehr mit Strom betriebene Pkws, Lieferwagen, Mopeds und Fahrräder auf den Markt kommen. Es scheint also noch nie einen besseren Zeitpunkt für den Umstieg auf mit günstiger Energie betriebene Fahrzeuge gegeben zu haben.

Auch wenn das vielversprechend klingt: Nach nach wie vor kommt die Elektromobilität in den meisten Ländern nur schleppend in Fahrt. Das mag auch damit zu tun haben, dass Zweifel angesichts der Reichweite, der Verfügbarkeit an Lademöglichkeiten und auch der Ökobilanz insgesamt bestehen. Zumindest in einigen Bereichen kommt Unterstützung von neuen, digitalen Lösungen.

Wo die E-Mobilität voranschreitet

Trotz der enormen Aufgabenstellung schreitet die Entwicklung der Elektromobilität an manchen Orten schnell voran. China ist derzeit Marktführer bei Elektroautos, sowohl beim Absatz als auch bei der Herstellung, und hat 2021 etwa 57,4 Prozent der weltweiten Produktion von Elektroautos bestritten.

In Norwegen werden etwa 25 Prozent aller Elektroautos hergestellt. Und das Land knackte 2021 eine wichtige Marke: Erstmals lag der Anteil der neu angemeldeten Wagen mit einem rein elektrischen Antrieb bei über 54 Prozent. Dabei handelt es sich laut der norwegischen Straßenverkehrsbehörde um reine Stromer. Zählt man die Plug-in-Hydrid-Fahrzeuge hinzu, beträgt der Anteil der elektrisch betriebenen Wagen knapp 75 Prozent. In Oslo macht sich das mittlerweile bemerkbar: Die Luftqualität hat sich deutlich verbessert und es ist leiser geworden; das für E-Autos typische Sirren bestimmt mittlerweile die Geräuschkulisse der Stadt.
Herausforderungen der Elektromobilität

Da Norwegen seinen Strom überwiegend aus Wasserkraft gewinnt, ist auch der Strom für den Betrieb der Fahrzeuge nachhaltig. In Deutschland und England dagegen wird der Strom aus einer Mischung aus fossilen und erneuerbaren Brennstoffen gewonnen. In einer EU-Studie wird davon ausgegangen, dass „ein Elektroauto, das ausschließlich mit Strom aus einem Ölkraftwerk betrieben wird, nur zwei Drittel der Energie eines Benzinautos verbraucht, das die gleiche Strecke zurücklegt“. Auch wenn das eine Einsparung ist – Elektroautos, die immer noch zwei Drittel der Energie eines herkömmlichen Autos verbrauchen, werden weder Wissenschaftler*innen noch Umweltschützer*innen vor Freude in die Luft springen lassen. Eine wirklich nachhaltige E-Mobilität geht also Hand in Hand mit der Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien – je mehr grüne Energie im „Tank“ landet, desto besser fällt auch die Ökobilanz der Stromer aus.

Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität

Autonome Fahrzeuge, E-Mobility, intelligente Verkehrsplanung, multimodal durch die Stadt – wie sieht die Mobilität von morgen aus? Wir stellen nachhaltig-digitale Lösungen für eine klimaneutrale Fortbewegung und Logistik vor und diskutieren neue Herausforderungen der „digitalen“ Mobilität: Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität

Abgesehen von den Stromquellen wird immer wieder der Mangel an verfügbaren Ladestationen diskutiert. Damit Elektroautos eine realistische Option für den Umstieg von einem Verbrenner sind, müssen die Nutzenden darauf vertrauen können, dass sie von A nach B kommen, ohne dass ihnen der Strom ausgeht.

Frühe Versionen des Elektroautos nutzten das, was auch als „Erhaltungsladung“ bezeichnet wird. Diese Steckdosen (auch bekannt als Level 1) bieten nur eine Reichweite von wenigen Kilometern pro Ladestunde. Man bräuchte also 10 Stunden Ladezeit, um zwischen 30 bis 80 Kilometer zu fahren, und 40 Stunden Ladezeit für etwa 350 Kilometer. Auch wenn die Erhaltungsladung bequem ist – das Ladekabel kann zu Hause direkt an das Stromnetz angeschlossen werden, eine spezielle Ausrüstung ist nicht nötig – aber die Reichweite für die zum Aufladen erforderliche Dauer ist für die meisten Autofahrer*innen einfach nicht praktikabel.

© Ernest Ojeh/ Unsplash-Lizenz Die Innovationen sind in vollem Gange

Heutzutage wird das Aufladen immer schneller und bequemer. Das Hochgeschwindigkeits- oder Level-3-Laden, auch bekannt als DC Fast Charging (DCFC), ist die bisher schnellste Art des Ladens und bietet eine zusätzliche Reichweite von 200 Kilometern in nur einer halben Stunde oder 400 Kilometer in etwa einer Stunde – und es ist davon auszugehen, dass sich die Ladevorgänge noch weiter beschleunigen werden. Diese Ladestationen tauchen langsam auch in öffentlichen und kommerziellen Bereichen wie Tankstellen, Einkaufszentren und Büro-Parkplätzen auf.

Wie induktives Laden die E-Mobilität revolutionieren könnte

Wie einfach wäre es, wenn Elektrofahrzeuge während der Fahrt aufgeladen werden könnten? Diese Welt könnte näher sein, als du denkst – Lkws, die ihren Strom direkt von Oberleitungen auf der Autobahn ziehen, werden bereits erprobt. Und das israelische Unternehmen Electreon testet derzeit seine „Ladespuren“ für kleinere Fahrzeuge, bei denen die Fahrzeuge mit Strom aus der Fahrbahn „betankt“ werden.

Für einen großflächigen Ausbau ist die Technologie aktuell jedoch noch zu teuer. Sobald die Technologie aus der Entwicklungsphase heraus ist, könnte sich das jedoch schnell ändern.

Dazu kommt: Es wird immer einfacher, verfügbare Ladestationen entlang der Route zu finden. Die deutsche App elvah zum Beispiel zeigt nicht nur verfügbare Ladestationen an, sondern versieht diese auch noch mit einem „elvah-Score“, der anzeigt, wie zuverlässig und komfortabel eine Station gerade ist. Der elvah Score setzt sich aus dem Feedback der Community und der ständigen Analyse tausender Ladevorgänge zusammen. Die App listet bereits mehr als 250.000 Stationen in 40 Ländern.

Ebenso legen Konzepte wie Monta den Grundstein für eine skalierbare und nachhaltige Ladeinfrastruktur. Die Open-Source-App und Plattform ist eine B2B-Softwarelösung für Unternehmen, die in ihren Geschäftsräumen Lademöglichkeiten für E-Mobilität anbieten wollen.

Apps wie elvah und Co. ermöglichen damit eine neue, elektromobile Mobiliät: Statt sich wie bisher darauf zu verlassen, dass schon rechtzeitig eine Tankstelle kommt (was auch in der Vergangenheit nicht immer die beste Taktik war und zu dem ein oder anderen Marsch zur nächsten Tankstelle mit Benzinkanister in der Hand geführt hat), verlangt das Reisen mit einem E-Auto eine andere Art der Routenplanung; neben der Auswahl einer geeigneten Route müssen auch entsprechende Stopps eingeplant werden. Aber erstens sind die meisten gefahrenen Wege Kurzstrecken, so dass die Autos problemlos bei Parken einfach ans Netz gehängt werden können. Und zweitens steckt in zwangsläufigen Ladepausen auch die Chance auf Entschleunigung. Kann es nicht sogar angenehm sein, alle 300-500 Kilometer eine kleine Pause einlegen zu müssen..?

Was könnte der E-Mobilität auf die Sprünge helfen?

Während wir uns auf den Weg zu einer besseren Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge machen, ist es vielleicht an der Zeit, einen Blick in die Zukunft zu werfen, um zu sehen, welche weiteren Hindernisse abgebaut werden müssen, damit der Übergang zur E-Mobilität stattfinden kann.

Zum einen sind die Kosten für E-Fahrzeuge für viele immer noch unerschwinglich. Eine Sache, die Chinas Aufstieg zur E-Mobilität vorangetrieben hat, sind die zahlreichen politischen Anreize, die geschaffen wurden, um die Nutzung von E-Fahrzeugen zu erhöhen – wie großzügige Subventionen und Vergünstigungen – und so die ehrgeizigen Ziele der Regierung zur Verbesserung der Luftverschmutzung im Land zu erreichen. Auch Norwegen hat sich beeindruckende Ziele gesetzt, darunter die vollständige Abschaffung der mit fossilen Brennstoffen betriebenen Autos bis 2025 – und macht mit verschiedenen Maßnahmen die Elektromobilität erschwinglich. Beim Kauf eines E-Autos entfällt zum Beispiel die 25-prozentige Mehrwertsteuer und auch die Zulassungsgebühr, die für einen größeren Wagen rund 10.000 Euro betragen kann.

Aber sind E-Fahrzeuge die Antwort auf eine umweltfreundlichere Mobilität?

Es gibt viele Fragen dazu, ob E-Mobilität überhaupt nachhaltig ist, und viele weisen darauf hin, dass allein durch die Umstellung auf Elektroautos die Ziele des Pariser Klimaabkommens nicht erreicht werden. Und das globale Versprechen, bis 2030 kohlenstofffrei zu werden, ist nur noch sieben Jahre entfernt (zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels).

Während sich Expert*innen weitgehend einig darin sind, dass E-Fahrzeuge während ihrer gesamten Lebensdauer einen geringeren CO2-Fußabdruck haben als herkömmliche Fahrzeuge, ist ihre Herstellung noch kohlenstoffintensiver als die ihrer herkömmlichen Pendants. „Die Herstellung von Elektrofahrzeugen verursacht deutlich mehr Emissionen als die Produktion von Benzinautos. Je nach Produktionsland sind es zwischen 30 und 40 Prozent mehr Emissionen, die hauptsächlich aus der Batterieproduktion stammen“, berichtet Florian Knobloch, Mitarbeiter am Cambridge Centre for Environment, Energy and Natural Resource Governance.

Und es ist nicht nur der Energieverbrauch, der Batterien für Elektrofahrzeuge problematisch macht. Die Bergbaupraktiken zur Gewinnung der für die Herstellung der Batterien verwendeten Rohstoffe haben sich in vielen Fällen als unethisch und ökologisch nicht nachhaltig erwiesen. Neue, bessere Recyclingverfahren, ein zweites „Leben“ und ein nachhaltigeres Design, in dem die Rückgewinnung der kostbaren Rohstoffe schon mitgedacht wird, sind also unerlässlich, um die Ökobilanz der Stromer zu verbessern.

Wie steht es um die Alternativen zum Elektroantrieb?

Es gibt noch weitere alternative Antriebe neben dem Elektroantrieb. Wie ist da der Status quo? Wir haben dazu mit Michael Müller-Görnert vom VCD gesprochen: „E-Autos sind ein wichtiger Baustein für eine ökologische Verkehrswende

Sharing is caring (für die Umwelt)

Das zunehmende Verkehrsaufkommen in unseren Städten, das auf die steigende Zahl der Fahrzeuge zurückzuführen ist, zwingt Planer*innen, mehr Straßen zu bauen, wodurch der Platz für Grünflächen in und um unsere Städte verringert wird. Grünflächen sind jedoch notwendig, um die Luft- und Lärmbelastung zu verringern und die städtische Artenvielfalt zu schützen. Wollen wir wirklich, dass unsere Städte und Gemeinden immer mehr zubetoniert werden?

Es ist klar, dass Elektroautos eine Verbesserung gegenüber herkömmlichen Fahrzeugen darstellen, aber ihr nicht nachhaltiger Herstellungsprozess und der Platz, den sie auf unseren Straßen und in den Städten benötigen bedeutet, dass sie niemals eine perfekte Alternative sein können. Zum Glück gibt es bessere Lösungen.

Was es braucht ist eine andere Form der E-Mobilität, zum Beispiel mehr gemeinsam genutzte Fahrzeuge. Teilen sich Menschen Fahrzeuge, verringert das den Bedarf an Autos, wodurch die Umweltbelastung reduziert wird. Dazu gehört auch, die Last-Mile-Logistik auf kleine, flexible E-Fahrzeuge und E-Lastenfahrräder für den traditionell schadstoffintensiven Transport auf der letzten Meile umzustellen. Parallel dazu hat eine bessere Infrastruktur für den öffentlichen Nahverkehr, einschließlich eines Netzes, das mit sauberem Strom betrieben wird, das Potenzial, Millionen von Autos von unseren Straßen zu holen und große Teile unserer CO2-Emissionen einzusparen.

Es bleibt also festzuhalten: Die E-Mobilität nimmt an Fahrt auf. Aber damit sie wirklich zu einer klimaneutralen Mobilität führt gilt es, sie in die richtige Richtung zu lenken.

Dieser Artikel gehört zum Dossier „Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität“. Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers zum Thema „Mission Klimaneutralität – Mit digitalen Lösungen die Transformation vorantreiben“ erstellen.

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Die grüne Welle reiten: Fahrräder und digitale Lösungen spiele eine wichtige Rolle beim Übergang zur grünen Mobilität

27. Februar 2023 - 9:38

Von der Verbesserung der Luftqualität bis hin zur Verringerung von Verkehrsstaus – es ist klar, dass das Fahrrad als emissionsfreies, platzsparendes, leises und flexibles Fortbewegungsmittel eine entscheidende Rolle beim Übergang zu einer nachhaltigen Mobilität spielen kann. Aber was genau ist nötig auf dem Weg zur fahrradfreundlichen Stadt? Und wie können digitale Lösungen dazu beitragen, das Radfahren für alle zugänglicher zu machen?

Die zeitlose Bedeutung des Fahrrads

Seit Jahrhunderten schon steht das Fahrrad für Freiheit und Einfachheit. Von den Hochrädern des späten 19. Jahrhunderts bis zu den Hightech-E-Bikes von heute sind Fahrräder auf unseren Straßen allgegenwärtig und ermöglichen es Menschen, mit einem Tritt in die Pedale fast überall hinzukommen.

Heute, angesichts dringend gefragter Lösungen für eine nachhaltige Mobilität, spielt das Fahrrad mit seinen unbestreitbar geringen Umweltbelastungen wieder eine entscheidende Rolle.

Saubere Luft, Vogelgezwitscher und mehr öffentlicher Raum – das können Städte gewinnen

Stell dir eine Stadt vor, in der die Luft sauber und klar ist, die Straßen weniger verstopft und die Menschen gesünder sind. Das ist bereits Realität in Städten, in denen Fahrräder als Fortbewegungsmittel die Nase vorn haben. Derzeit sind die Niederlande der Rekordhalter als Land mit den meisten Radfahrer*innen – mit fast genau so vielen Fahrrädern wie Einwohner*innen. Die Stadt, in der sich die meisten Menschen für ihre Wege aufs Rad schwingen, ist jedoch die dänische Hauptstadt Kopenhagen. Fast 62 Prozent der Kopenhagener Bevölkerung nutzen Muskelkraft für ihren täglichen Weg zur Arbeit oder zur Schule, und die Stadt liegt bei der Erreichbarkeit mit dem Fahrrad an erster Stelle, direkt vor den niederländischen Städten Amsterdam und Utrecht.

Die verstärkte Nutzung der Zweiräder kann sich direkt auf die Lebensqualität der Stadtbewohner*innen auswirken. An erster Stelle verbessert sich unmittelbar die Luftqualität, sobald sich die Zahl an Verbrenner-Fahrzeugen verringert. Zudem entstehen weniger Staus und viele ehemals Autos vorbehaltenen Flächen werden für andere Aktivitäten frei. Und natürlich fördert der regelmäßige Tritt in die Pedale die Gesundheit. Eine britische Studie hat gezeigt, dass regelmäßiges Fahrradfahren mit einem um 45 Prozent geringeren Krebsrisiko und einem um 46 Prozent geringeren Risiko für Herzkrankheiten verbunden ist.

Auch auf die lokale Wirtschaft kann sich die Fahrradmobilität positiv auswirken indem beispielsweise Transportkosten gesenkt, lokale Unternehmen gefördert und neue Arbeitsplätze in der Fahrradbranche geschaffen werden, wie zum Beispiel der Aufstieg der Cargo-Bikes in der Last-Mile-Logistik zeigt.

Die wahren Kosten von Autos

Jede*r, der oder die ein Auto besitzt, weiß, wie kostspielig das werden kann. Auf den Kaufpreis kommen im Laufe der gemeinsamen Zeit Wartung und Reparaturen, Benzin, Steuern und Versicherung. Und darin enthalten sind noch nicht weitere, versteckte Kosten, die eine in der Zeitschrift „Ecological Economics“ veröffentlichte Studie versucht hat zu berechnen.

Dazu wurden 23 Faktoren ermittelt, die einem vielleicht nicht sofort in den Sinn kommen, die aber berücksichtigt werden müssen, wie Kosten für den Führerschein, Park- und Mautgebühren. Aber auch Wartezeiten im Stau wirken sich direkt auf den Geldbeutel aus. Dazu kommen Kosten für Luftverschmutzung und Flächenverbrauch, die Instandhaltung von Straßen und Infrastruktur, Lärm, Klimaauswirkungen und Einschränkungen für Radfahrende und Fußgänger*innen, die von uns allen getragen werden. Die Forschenden bezifferten diese mit rund 5.000 Euro pro Jahr und Auto. Den tatsächlichen Geldwert dieser Kosten zu berechnen ist schwierig. Klar ist jedoch, dass Autos sowohl die Halter*innen als auch die Gesellschaft einiges kosten.

Die nötige Infrastruktur für eine fahrradfreundliche Stadt

Warum ist das Fahrrad trotz all seiner Vorteile noch immer nicht das Verkehrsmittel Nummer eins? Nach Angaben des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) hatte der Radverkehr 2019 nur einen Anteil von 3,2 Prozent an der gesamten Verkehrsleistung in Deutschland, wobei dieser Anteil in den großen Städten deutlich höher liegt. Ein Grund dafür ist mit Sicherheit, dass es an einer geeigneten Infrastruktur fehlt, die die Fahrradnutzung unterstützt und fördert.

© Febiyan/ Unsplash-Lizenz

Um das Fahrradfahren zu einer echten Option für alle zu machen, müssen die Städte in die notwendige Infrastruktur investieren. Dazu gehören sichere Fahrradspuren und -wege, komfortable Fahrradabstellplätze, öffentliche Wartungs- und Reparaturstationen und die Einbindung in den öffentlichen Nahverkehr, um den Radfahrenden das Zurücklegen längerer Strecken zu erleichtern. Kopenhagen und andere Städte mit einem hohen Fahrradanteil haben schon heute bewiesen, wie wirkungsvoll diese Maßnahmen sind.

Auch die Bundesregierung misst der Förderung des Radverkehrs mittlerweile einen höhere Stellenwert auf dem Weg zu einem modernen, klimafreundlichen Verkehrssystems bei und unterstützt den Radverkehr u.a. durch den Nationalen Radverkehrsplan (NRVP). Außerdem stellt das BMDV in verschiedenen Programmen Mittel für die Förderung und Finanzierung zur Verfügung, wie zum Beispiel das Förderprogramm für innovative Modellprojekte im Radverkehr mit einem Volumen von insgesamt bis zu rund 155 Millionen Euro.
Mehr Infos dazu hier: mFund

Die Rolle von digitalen Lösungen bei der Förderung der Fahrradnutzung

Von Bike-Sharing- und Verleihsystemen, die es Menschen leichter machen, das Radfahren zum ersten Mal auszuprobieren, bis hin zu Navigations- und Routenplanungs-Apps, die dabei helfen, die sichersten und schnellsten Wege zu finden – verschiedene digitale Lösungen unterstützen dabei, das Radfahren zugänglicher und bequemer zu machen. Zudem kann ein intelligentes Verkehrsmanagement dazu beitragen, den Radverkehr voranzutreiben.

Beides zusammenzubringen – eine radfreundliche Routenplanung und bessere Infrastrukturen für Zweiräder – will Bike Citizens: Die Navi-App zeigt fahrradfreundliche Wege und gleichzeitig helfen die von den Nutzer*innen freiwillig aufgezeichneten Daten dabei, den Radverkehr besser zu verstehen und zu optimieren.

Im Kern bietet die App die Navigation für Radfahrende unterschiedlicher Erfahrungsstufen und führt sie über Radwege und verkehrsarme Nebenstraßen zum Ziel. Gleichzeitig arbeitet das Unternehmen mit Städten, Unternehmen und Organisationen zusammen, um den Radverkehr durch Softwarelösungen, Kommunikation und Marketingmaßnahmen zu unterstützen. Gegründet im Jahr 2011 von den Fahrradkurieren Daniel Kofler und Andreas Stückl, ist die App von Bike Citizens mittlerweile in über 450 Städten und mehr als 30 Ländern verfügbar.

Auch bundesweit bieten „MunichWays“ in München und „SiBike“ in Marburg einen ähnlichen Service an. „PrioBike“ aus Hamburg will dagegen eine grüne Welle für Radfahrende schaffen und Radfahrenden so erleichtern, in einem für Autos optimierten Verkehrssystem besser voran zu kommen. „Sie erzeugt in gewisser Weise eine ‚Pseudo-Grüne-Welle‘: Wenn sich die Radfahrenden mit Hilfe der Geschwindigkeitsempfehlungen an die Ampelschaltungen für den motorisierten Individualverkehr (MIV) anpassen, haben sie in gewissen Grenzen auch eine Art Grüne Welle“, so Sven Fröhlich, der das Projekt an der TU Dresden leitet. Die Geschwindigkeitsempfehlungen basiert aus einer Prognose, für die das Entwicklerteam Daten der Ampelschaltungen mit den Informationen über die aktuelle Verkehrslage und der Position, der Fahrtrichtung und der Geschwindigkeit der Radfahrenden, die mit ihren Smartphones erfasst werden, kombiniert.

Erste Tests der App in Hamburg waren bereits erfolgreich. Ab Sommer 2023 soll die App dann zum freien Download zur Verfügung stehen.
Allen Projekten gemeinsam ist das Ziel, mithilfe digitaler Lösungen den Verkehr für Radfahrende zu verbessern und mithilfe der gesammelten Daten blinde Flecken in der Fahrradinfrastruktur einer Stadt zu finden und in Zukunft Radwege und Kreuzungen zu verbessern. Das PrioBike der Zukunft ist dann eine echte grüne Welle, also eine Verkehrssteuerung, die dem Radverkehr Vorfahrt gewährt.

Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität

Autonome Fahrzeuge, E-Mobility, intelligente Verkehrsplanung, multimodal durch die Stadt – wie sieht die Mobilität von morgen aus? Wir stellen nachhaltig-digitale Lösungen für eine klimaneutrale Fortbewegung und Logistik vor und diskutieren neue Herausforderungen der „digitalen“ Mobilität: Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität

Doch natürlich ist es nicht immer leicht, solche Projekte zu initiieren. „Gerade im Bereich Verkehr ist man oft auf eine gute Zusammenarbeit mit Verwaltung und Behörden angewiesen. Wenn man von den Menschen, die dort an den entsprechenden Stellen arbeiten, keine Unterstützung bekommt, kann es schwer oder unmöglich sein, neue Ideen auszuprobieren oder neue Ansätze zu entwickeln“, berichtet Sven Fröhlich. Dazu kommt, dass die notwendigen Daten nicht immer leicht verfügbar sind. „Manchmal wissen Behörden und Verwaltung nicht einmal, welche Daten sie überhaupt haben.“ Daher arbeiten Projekte wie Freemove auch daran, die Daten für ein nachhaltigeres Verkehrssystem leichter verfügbar zu machen.

Fahrräder und digitale Technologie gemeinsam für eine grünere Zukunft

Was diese Projekte uns vor allem zeigen: Man muss das Rad nicht neu erfinden auf dem Weg in eine nachhaltige Mobilität. Aber der Radverkehr kann einen ordentlichen Anschub gebrauchen. Neue Elektroantriebe für insbesondere Transporträder bzw. Lastenräder waren zum Beispiel ein solcher Anschub für eine emissionsarme Last-Mile-Logistik.

Damit das volle Potenzial des Fahrrads ausgeschöpft werden kann, sind massive Investitionen in eine fahrradfreundliche Infrastruktur gefragt. Digitale Tools können zusätzlich wichtige Informationen sowohl für eine komfortable Fahrradkultur als auch eine fahrradfokussierte Verkehrsplanung bereitstellen.

Dieser Artikel gehört zum Dossier „Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität“. Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers zum Thema „Mission Klimaneutralität – Mit digitalen Lösungen die Transformation vorantreiben“ erstellen.

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Ein nahtloser und komfortabler ÖPNV? Mit Echtzeitdaten könnte das gelingen

22. Februar 2023 - 5:03

Der Bus kommt wie gerufen. Eben die Haltestelle erreicht, schon nähert sich ein großer Doppeldeckerbus der Haltestelle. Das ist auch gut so, denn zusammen mit mir streben noch viele weitere Menschen der Bushaltstelle entgegen. Während alle einsteigen, sehe ich eine Rollstuhlfahrerin neben mir. Ob ich ihr in den Bus helfen könnte, frage ich sie. Sie verneint mit einem Blick auf ihr Smartphone und sagt, hier sei der Platz für Rollstühle schon belegt, aber im Bus, der nur noch wenige Meter von der Haltestelle entfernt ist, sei genug Platz. Auch andere Menschen bleiben an der Haltestelle stehen, nachdem alle Plätze im Bus belegt sind, denn sie wissen: Das nächste Fahrzeug wird in zwei Minuten hier halten.

So – oder so ähnlich – könnte ein komfortabler ÖPNV aussehen. Mit leicht zugänglichen, zuverlässigen Informationen, damit sich die Reise einfach gestalten lässt. Und mit einem am tatsächlichen Bedarf angepassten Angebot an Verbindungen und Fahrzeugen.

Die Zeit dafür ist mehr als reif, denn eine schlechte Luftqualität in den Städten, von Blechlawinen verstopfte Straßen und unverändert hohen CO2-Emissionen im Verkehr sollten uns zum Umdenken bewegen. Dabei geht es nicht nur darum, CO2-intensive Verbrenner möglichst schnell abzuschaffen und durch alternative Antriebe zu ersetzen, sondern auch den Druck von den Straßen zu nehmen und die Anzahl der Fahrzeuge massiv zu reduzieren. Da liegt es nahe, bereits vorhandene Strukturen, die sich schon als nachhaltig erwiesen haben, weiter auszubauen und attraktiver zu gestalten. Womit wir beim ÖPNV wären.

Den Komfort des Individualverkehrs mit den Vorteilen des ÖPNV verbinden

Die Idee hinter einem attraktiveren ÖPNV: Lösungen schaffen, die den Komfort des Individualverkehrs mit den Vorteilen des öffentlichen Personennahverkehrs verbinden. Dazu gehört einerseits eine am tatsächlichen Bedarf ausgerichtete Planung. Ist viel los, fahren größere Fahrzeuge dichter getaktet; ist wenig los, werden weniger kleinere Fahrzeuge losgeschickt. Andererseits müssen den Fahrgästen für ihre Reise wichtige Informationen leicht zugänglich bereitgestellt werden. Kommt mein Bus pünktlich? Gibt es genügend Sitzplätze im nächsten Fahrzeug und passt das Fahrrad noch rein? Informationen zur Belegung und aktuellen Verspätungszeiten machen die Fortbewegung mit Bus und Bahn zuverlässiger und besser planbar und zahlen so auf den Komfort des ÖPNV ein.

© Ant Rozetsky/ Unsplash-Lizenz Warum sich in einen Bus reinquetschen, wenn der nächste genügend Sitzplätze hat? Mit Echtzeitinformationen können Fahrgäste komfortabler reisen.

Die Voraussetzung dafür ist, dass die für diese Informationen wichtigen Daten erhoben und bereitgestellt werden. Die Realität sieht aktuell allerdings noch etwas anders aus. Der ÖPNV ist insbesondere in den großen Städten und Ballungszentren sehr gut ausgebaut, ohne Frage. Über digitale Anzeigen an Bahnsteigen stehen bereits wesentliche Informationen, zumindest zur Ankunft der nächsten Bahn oder des nächsten Busses, zur Verfügung – und manchmal auch zur Ausstattung für Menschen mit Einschränkungen. Und über die mobilen Apps der Verkehrsunternehmen, wie Jelbi in Berlin oder Switchh in Hamburg, sind sämtliche öffentlich zugängliche Verkehrsmittel miteinander verknüpft und die schnellsten Verbindungen einfach abrufbar.

„Tatsächlich steht Deutschland im internationalen Vergleich ganz gut da – der ÖPNV in Berlin beispielsweise wird oft in einem Zug mit Metropolen wie Tokyo, Shanghai oder auch London, Amsterdam und Paris genannt, wenn es um die Effizienz und vorhandene Infrastruktur geht“, sagt Jens Schmidt, Vorstand der Stadtwerke Gießen (SWG). „Im Bereich Digitalisierung ist jedoch sicher noch Luft nach oben – in Norwegen beispielsweise stehen verfügbare ÖPNV-Daten in Echtzeit frei zur Verfügung und das sogar in standardisierten, offenen Schnittstellen. Davon ist Deutschland noch weit entfernt. Auch in Städten wie Seoul in Südkorea oder Dubai wurde prozentual deutlich mehr in einen digitalen, innovativen und attraktiven Nahverkehr investiert“.

Echtzeitdaten? Fehlanzeige!

In der Verbindungsübersicht der Deutschen Bahn wird mittlerweile die erwartete Auslastung angezeigt. Besonders verlässlich ist diese Information allerdings nicht, denn nach eigenen Angaben basiert diese auf Prognosen. Die Datengrundlage sind dabei die Anzahl der Buchungen von Sparpreisen mit Zugbindung und die Zugauslastung in der Vergangenheit. Auch bei den Berliner Verkehrsbetrieben basieren die Informationen zur Auslastung auf Hochrechnungen. Echtzeitdaten werden jedoch bei beiden bisher nicht integriert, womit das Ganze ziemlich vage bleibt.

Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität

Autonome Fahrzeuge, E-Mobility, intelligente Verkehrsplanung, multimodal durch die Stadt – wie sieht die Mobilität von morgen aus? Wir stellen nachhaltig-digitale Lösungen für eine klimaneutrale Fortbewegung und Logistik vor und diskutieren neue Herausforderungen der „digitalen“ Mobilität: Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität

Das hat unter anderem damit zu tun, dass Echtzeitinformationen schwer verfügbar sind. „Oft sind bereits nutzbare Daten vorhanden, insbesondere in den proprietären Systemen der Hersteller von Fahrzeugsysteme. Diese sind allerdings in vielen Fällen aufgrund von Zugriffsberechtigungen oder fehlendem Knowhow nicht leicht verfügbar zu machen und in der Regel nicht in einem standardisierten Format gespeichert, was eine schnelle und effiziente Nutzung deutlich erschwert“, sagt Schmidt.

Das heißt, dass es einerseits helfen könnte, diese Daten für bessere Prognosen den Verkehrsbetrieben in öffentlicher Hand leichter zugänglich zu machen. Gleichzeitig geht es darum, weitere Daten zu gewinnen. Auch wenn schon heute alle Busse und Bahnen mit GPS ausgestattet sind und sich so ihre Wege und Standorte verfolgen lassen, werden Fahrgastzahlen dagegen kaum erhoben. Digitale Fahrgastzähler sind hier eine Lösung – doch das würde ein riesiges Investitionsvolumen erfordern. Aber vielleicht ist das auch gar nicht mehr unbedingt notwendig.

Mit unter anderem der Hilfe von KI lassen sich bereits sehr akkurate Prognosen zur Belegung in öffentlichen Verkehrsmitteln erstellen.

NV-ProVI: KI unterstützt bei der Erstellung von Prognosen

Im Rahmen von NV-ProVI, einem Kooperationsprojekt der Stadtwerke Gießen zusammen mit den Data Analyst*innen von Brodtmann Consulting, wurde ein auf künstlicher Intelligenz basierender Algorithmus entwickelt, der mithilfe von Echtzeitdaten Prognosen für den ÖPNV in den nächsten Stunden erstellt – ebenfalls in Echtzeit.

„Die von uns realisierte Echtzeitauskunft bildet das reale Verkehrsgeschehen ohne Zeitversatz ab, was in Deutschland so in der Form bislang nur vereinzelt umgesetzt wird“, so Schmid, der das Projekt leitet. In die Prognosen der KI fließen neben den eigentlich ÖPNV-Echtzeitdaten – die aktuelle Position und Belegung – und dem historischen Verlauf dieser Daten auch weitere relevante Faktoren wie Wetterdaten, Schul- und Semesterferien oder Großveranstaltungen mit ein. Damit das Projekt als Vorlage für möglichst viele Kommunen und Städte dienen kann, hat das Projektteam darauf geachtet, einen möglichst herstellerunabhängigen Prozess aufzubauen.

NV-ProVI wird von der Forschungsinitiative mFUND gefördert, in deren Rahmen das BMVI seit 2016 Forschungs- und Entwicklungsprojekte rund um datenbasierte digitale Anwendungen für die Mobilität 4.0 unterstützt. Neben der finanziellen Förderung bietet der mFUND auch verschiedene Veranstaltungsformate zur Vernetzung zwischen Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Forschung sowie den Zugang zum Datenportal mCLOUD an. Weitere Informationen: mfund.de

In dem Projekt geht es aber nicht nur darum, die Daten zur Position und Belegung der Fahrzeuge in Echtzeit zu verarbeiten, sondern diese auch für die Kund*innen sinnvoll nutzbar zu machen. Per App auf dem Smartphone wird dann angezeigt, wie voll der Bus zu einer bestimmten Zeit an einer bestimmen Haltestelle ist und ob er pünktlich kommt. Das kann Entscheidungen erleichtern; renne ich los und finde wahrscheinlich nur noch
einen Stehplatz oder gehe ich gemütlich weiter und erreiche mit dem nächsten Bus bequem sitzend mein Ziel?

„Im Falle von NV-ProVi war das Ziel, die Echtzeitdaten auf einer Livemap darzustellen – in gewissem Sinne also ein „Proof-of-Concept“, auf dem dann konkrete Anwendungsfälle realisiert werden können“, berichtet Schmid. „Hierzu zählt zum Beispiel eine dynamische Verbindungsauskunft, die nicht nur Verspätungen in Echtzeit berücksichtigt, sondern auch weniger überfüllte und gleichwertig schnelle Alternativrouten vorschlagen kann – oder auch Filter wie die Verfügbarkeit von Fahrradmitnahme und Stellflächen für Kinderwagen oder Rollstühle in Echtzeit bietet. Ebenso kann es in Zukunft möglich sein, Verstärker- oder Ersatzfahrten deutlich schneller und präziser genau dort einzusetzen, wo sie am dringendsten benötigt werden.“

NV-ProVI Die RMV-Livemap zeigt die Busse der Stadt Gießen in Echtzeit mit Verspätungen und Auslastung an.

Damit verbunden ist die Hoffnung, dass mehr Menschen in den ÖPNV umsteigen. Denn je mehr zuverlässige Informationen leicht zugänglich zur Hand sind, desto besser kann ich eine Route planen – was durchaus auf die Attraktivität des ÖPNV einzahlt.

Sollen mehr Menschen zum Umstieg bewegt werden, kann es sich also auszahlen, nicht nur in den Ausbau des ÖPNV, sondern auch in digitale Infrastrukturen zu investieren. „Allerdings sind für diesen Umbau auch weiterhin finanzielle Mittel notwendig, die nicht über Fahrgeldeinnahme generiert werden können“, so Jens Schmidt.

Und die Anwendungsmöglichkeiten der intelligenten Algorithmen können natürlich noch weitergedacht werden, zum Beispiel könnten diese in umfassende „Mobility-as-a-Service“-Apps integriert werden, die sämtliche öffentliche Verkehrsmittel wie Carsharing, ÖPNV und Leihfahrräder miteinander verbinden. Und vielleicht werden in Zukunft ja feste Fahrpläne und Haltestellen von einem dynamischen Einsatz von Bussen und Bahnen ersetzt, der sich an den tatsächlichen Bedarfen und Bewegungsmustern der Menschen ausrichtet.

Bewegungsdaten – ein kostbares Gut

Entscheidend dabei könnten noch andere Datenquellen werden: Bewegungsdaten. So könnten die Kameras, die bereits in vielen Fahrzeugen und Bahnhöfen aus Sicherheitsgründen installiert wurden, auch dazu genutzt werden, mithilfe moderner Bildverarbeitung Fahrgastströme zu messen, wie das zum Beispiel im Projekt Artificial Intelligence Passenger Counting (AIPaC) erprobt wird. Und im Projekt Smartphone-Sensing in Public Transport (SSTP) werten Forschende Smartphone-Daten von Probanden aus, die sie pseudonymisiert bündeln. Damit erfasst werden soll, welche Mobilitäts-Apps die Fahrgäste nutzen und inwiefern bestimmte Orte oder Uhrzeiten die Entscheidung für oder gegen die Nutzung des ÖPNV beeinflussen.

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Allerdings bringt die Verfügbarmachung von Bewegungsdaten enorme Herausforderungen mit sich, da damit nicht nur die tatsächlichen Wege der Menschen abgebildet werden können, sondern sich daraus auch sehr private Informationen ablesen lassen. Der rechtlich wie ethisch erforderliche hohe Schutz der Privatsphäre von Personen verlangt daher anspruchsvolle mathematische und technische Anonymisierungsverfahren. „Wir glauben, eine höhere Akzeptanz durch Nutzende ist nur zu erreichen, wenn ein Datenmissbrauch sicher auszuschließen ist. Dafür sind neue Methoden zur Anonymisierung von Daten notwendig“, sagt Qais Kasem, der das Projekt SSTP leitet. Im Rahmen des Projekts ist geplant, die Daten mit Rauschen zu versehen und Aussagen über einzelne von Anfang an verschleiern durch unter anderem Differential Privacy Modellen. Dritte haben dabei natürlich keinen Zugang zu den Rohdaten.

Auch wenn sich mit detaillierten Prognosen das Verkehrsnetz weiter optimieren lässt, reichen digitale Lösungen allein natürlich nicht für einen nahtlosen und attraktiven ÖPNV aus. Auch ein weiterer Ausbau der Infrastrukturen ist nötig, damit mehr Menschen auf Bus und Bahn umsteigen. Extra Spuren und Vorrang für Busse und Straßenbahnen sorgen zum Beispiel dafür, dass die Fahrzeuge nicht im Stau stecken bleiben. Dazu kommt eine Preispolitik, die den ÖPNV erschwinglich macht – die Bewohner*innen der Stadt Wien sind beispielsweise mit dem 365-Euro-Ticket das ganze Jahr mobil. Einige Städte gehen sogar so weit, ihren ÖPNV kostenfrei anzubieten; in Tallinn und sogar in ganz Luxemburg sind öffentliche Verkehrsmittel kostenlos.

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Die Micro-Smart-Factory bereitet Wasser netzunabhängig auf

20. Februar 2023 - 5:51

Wenn es um Wasserknappheit geht, gibt es einige weit verbreitete Missverständnisse. Eines davon ist, dass Wasserknappheit einfach nur bedeutet, dass es überhaupt kein Wasser gibt. Aber das ist nicht immer der Fall. In vielen der von Wasserknappheit betroffenen Regionen auf der ganzen Welt gibt es zwar reichlich Grundwasser, aber keine zuverlässigen Möglichkeiten, es zu reinigen oder für den Verbrauch sicher zu machen.

In den letzten Jahren wurden verschiedene neuartige Reinigungsmethoden entwickelt. Das schwedische Startup Wayout hat seine Wasserreinigungstechnologie zum Beispiel mit dem neuen Konzept der Mikrofabriken kombiniert.

Ursprünglich entwickelt, um in der aufkeimenden lokalen Mikrobrauerei-Szene Fuß zu fassen, setzt Wayout seine Technologie inzwischen ein, um Probleme wie Wasserknappheit und Plastikverschmutzung anzugehen. Ihre Kläranlage hat die Größe eines Schiffscontainers und kann jede Art von Wasser reinigen, das in das System gelangt, zum Beispiel Grundwasser, und so bis zu 8.000 Liter sauberes Trinkwasser pro Tag erzeugen – genug für etwa 2.000 Menschen. Während des Reinigungsprozesses werden alle Salze und Verunreinigungen entfernt und ersetzt, so dass ein ausgewogenes, remineralisiertes Wasser entsteht.

Die Mikrofabrik, die mit Solarzellen betrieben wird, ist so konzipiert, dass sie vor Ort aus nachhaltigen Materialien gebaut werden kann, was die Ressourcenbelastung durch Bau und Logistik verringert. Nach der Installation vor Ort dürfte Wayout zudem die Anzahl der benötigten Plastikflaschen sowie die Wasserlogistik über kurze und lange Strecken reduzieren.

Darüber hinaus ist die Mikrofabrik mit einer Reihe von Internet-of-Things-Technologien zur Überwachung und Bereitstellung von Verbrauchsinformationen über die Anlage ausgestattet. Die 10-Liter-Edelstahlfässer der Anlage sind mit einem digitalen ID-Chip ausgestattet, der die Sauberkeit und Reinheit überwacht, während die Systemzapfstellen auch den Verbrauch bei jeder Benutzung aufzeichnen. Diese Informationen können Eigentümer*innen und Manager*innen wichtige Einblicke in die Kapazität, die Nutzung und den Wartungsbedarf geben, so dass die Anlage besser an die lokalen Bedürfnisse angepasst werden kann.

Wayout funktioniert über ein Leasingmodell ohne Anfangsinvestitionen der Kund*innen. Das Wasser wird dann auf Literbasis verkauft, wobei die Kosten an die lokalen wirtschaftlichen Bedingungen angepasst werden. Doch selbst mit diesen Modifikationen scheint Wayout vor allem auf private Haushalte und das Gastgewerbe abzuzielen und nicht auf Gemeinden mit kritischem oder dringendem Bedarf an Trinkwasser.

Aber auch hier können die Anlagen einen wichtigen Unterschied machen. Die Notwendigkeit, Trinkwasser zu den Häusern, Hotels und anderen Infrastrukturen zu transportieren, stellt eine zusätzliche Belastung für die Umwelt dar, insbesondere im Hinblick auf den Kraftstoffverbrauch, die Bodenschäden und den Abfall. Plastikflaschen zum Beispiel müssen entweder vor Ort recycelt werden – was oft nicht möglich ist – oder zusätzlich per Lkw aus der Umgebung abtransportiert werden. Angesichts der Kosten und der Komplexität ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Abfälle einfach vor Ort deponiert werden.

Wayout wird derzeit im Sayari Camp von Asilia, einem Safariveranstalter in Tansania, eingesetzt. In der Region gibt es zwar reichlich Grundwasser, aber in abgelegenen Gegenden keine Möglichkeit, es vor Ort zu reinigen. Die Micro-Reinigungs-Fabrik wird bereits seit Anfang 2020 im Camp eingesetzt und spart nach eigenen Angaben bis zu 18.000 Plastikflaschen pro Jahr ein. Da der Zugang zu Trinkwasser einfacher und bequemer ist, haben die Ranger laut Wayout außerdem mehr Zeit für ihre Aufgaben auf dem Gelände.

Es gibt natürlich viele weitere Möglichkeiten, Wasser zu reinigen, und einige dieser Techniken eignen sich besser für abgelegene, netzferne Gemeinden als eine Mikrofabrik. Zu den Ansätzen gehören Nanomembranen zur Filtration, Solarkondensatoren und die Nutzung der Sonne zur Desinfektion von Wasser, die alle keine elektrische Energie benötigen.

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Der Aufstieg der Lastenfahrräder in der Last-Mile-Logistik

15. Februar 2023 - 6:50

Der Boom beim Online-Shopping hat die Zustellung auf der letzten Meile – also den letzten Metern der bestellten Ware, in der Regel vom Depot bis zur Haustür- in städtischen Gebieten unter Druck gesetzt. Ein erheblicher Teil des Autoverkehrs in Städten wird durch die Zustellung von Paketpost verursacht; jede Paketzustellung trägt so zu den ohnehin schon hohen CO2-Emissionen des Verkehrs bei. Aber es gibt Entwicklungen, die die Lieferlandschaft der Zukunft verändern – ein Pedaltritt nach dem anderen.

Schon heute kommt in den meisten Städten Deutschland die bestellte Pizza nicht mehr mit dem Auto, sondern per Fahrrad. Und es ist davon auszugehen, dass die Abhängigkeit vom Auto als Transportmittel in den Städten weiter abnehmen wird und statt dessen kleinere Fahrzeuge wie Lastenräder und Co. vermehrt genutzt werden.

Lastenräder boomen nicht ohne Grund © Nextbike/ Unsplash-Lizenz

Lastenfahrräder können bis zum Dreifachen ihres Gewichts tragen, mit einer Transportkapazität von 40 bis 250 Kilogramm, und können auch mit einer elektrischen Unterstützung ausgestattet werden, um die Fahrt zu erleichtern. Damit erfüllen sie die Voraussetzungen, um etwa die Hälfte aller Transportfahrten in der Stadt übernehmen zu können – was auch dem Ziel der Europäischen Union entspricht, das in der „Erklärung zum Radfahren als klimafreundlicher Verkehrsträger“ von 2015 formuliert wurde.

Der Popularitätsschub der (meistens) Zweiräder ist unter anderem auf den rasanten Aufstieg der E-Bikes zurückzuführen, die mittlerweile 17 Prozent des Fahrradabsatzes ausmachen. In Europa wurden 2019 3,4 Millionen E-Bikes verkauft, und bis 2030 sollen es jährlich 13,5 Millionen sein. Damit würde die Zahl der E-Bikes die Zahl der Elektroautos auf unseren Straßen übersteigen.

Auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft

Viele Lebensmittel- und Paketzustelldienste nutzen inzwischen Lastenräder für die Auslieferung von Paketen, da sie enge Straßen und belebte Stadtzentren besser bewältigen als herkömmliche Lieferfahrzeuge wie Autos und Lieferwagen. Indem Staus und die Parkplatzsuche wegfallen, werden Zeit und Ressourcen (insbesondere Kraftstoff) gespart. Anhand von GPS-Daten des Londoner Lieferunternehmens Pedal Me konnten Forschende belegen, dass Lastenfahrräder ihre Pakete 60 Prozent schneller ausliefern als Lieferwagen – und das bei einem Bruchteil der CO2-Emissionen.

Außerdem sind Lastenfahrräder in Betrieb und Wartung oft günstiger als Autos; besonders kleinere Unternehmen profitieren von dieser niedrigen finanziellen Hürde. Und auch Arbeitnehmer*innen profitieren: Für Lastenräder ist kein spezieller Führerschein erforderlich, und manch einen lockt speziell die Aussicht, Geld zu verdienen und sich nebenbei zu bewegen.

Auch auf die gesamten Verkehrsflüsse von Städten wirkt sich die Nutzung von Lastenfahrrädern aus, denn sie tragen dazu bei, die Verkehrsüberlastung zu verringern und die Sicherheit zu erhöhen. Eine Studie über die private Nutzung von Lastenfahrrädern in den USA zeigt, dass die Besitzer*innen von Lastenfahrrädern ihre Autofahrten im Schnitt um 41 Prozent reduzieren. Ein Lastenrad, das nur durch menschliche Kraft angetrieben wird, ist zudem nur für ein Zehntel der Emissionen eines Autos verantwortlich, was es zu einer umweltfreundlicheren Option macht, insbesondere für die Logistik auf der letzten Meile.

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Mit guter Planung und digitaler Infrastruktur zum Ziel

Doch allein ein größeres Angebot an Lastenrädern reicht nicht, um die muskelbetriebenen Vehikel erfolgreich in der Last-Mile-Logistik zu etablieren. Gefragt sind zudem eine geeignete Infrastruktur wie komfortable und sichere Radwege und Parkmöglichkeiten, aber auch neue Mikro-Depots, „die es strategisch geschickt zu platzieren gilt“, wie Pirmin Fontaine erklärt, der zusammen mit weiteren Mobilitäts- und Wirtschaftswissenschaftler*innen der TUM und der KU das Potenzial der Lastenräder am Beispiel von München und Regensburg untersucht hat. „Dabei werden Waren mit Lastwagen zu diesen Containern gebracht und von dort mit Lastenrädern zu den Kundinnen und Kunden geliefert. Die Depots können zu Zeiten mit geringem Verkehrsaufkommen beliefert werden.“ Angesichts der sehr begrenzten Flächen im urbanen Raum ist für die Platzierung von Mikro-Depots politische Unterstützung nötig, schließen die Autor*innen.

Gleichzeitig kann eine robuste digitale Infrastruktur beim Umstieg auf Lastenräder in der Last-Mile-Logistik unterstützen.

SmartRadL: Intelligentes Routen- und Auftragsmanagement für die Lastenradlogistik

Das Projekt SmartRadL will die Zustellung per Lastenrad in städtischen Gebieten durch eine innovative Softwarelösung unterstützen. Die Routenplanungssoftware wird an die besonderen Anforderungen des Lastenradtransports angepasst, indem die Fahrenden kontinuierlich mit dem Liefermanagementsystem verbunden sind. Und da die Routen in Echtzeit aktualisiert werden kann der Tourenplan schnell geändert werden, um neue Sendungen aufzunehmen.

Das Projekt SmartRadL spezifiziert und sammelt die für den Lastenradtransport spezifischen Daten und Anforderungen, sowohl im städtischen als auch im technischen Bereich, aus der Perspektive der Nutzer*innen und Kund*innen. Unter Einbeziehung vorhandener Datensätze und der Erfassung neuer Daten durch Kartierung, Sensortechnik und Befragungen werden diese Daten dann in einen Algorithmus eingespeist, um die Lastenradroute anzupassen.

© Jacek Dylag/ Unsplash-Lizenze) Der Anzahl der Autos auf unseren Straßen zu reduzieren ist unablässig für die Erreichung der Klimaziele.

Leider gibt es in den meisten Städten immer noch Datenlücken, wenn es um fahrradfreundliche Lieferwege geht: Die notwendigen Infrastrukturdaten, von Radwegbreiten über Bordsteinhöhen bis hin zu Live-Informationen über Behinderungen durch Veranstaltungen, Baustellen oder Demonstrationen, sind in der Regel gar nicht oder nicht frei zugänglich.

Diese Lücke zu schließen, war das Ziel eines Hackathons, den das baden-württembergische Verkehrsministerium im November 2020 veranstaltete. Daraus entstanden ist das Startup „Cargorocket“ und der erste bundesweite „Cargobike-Index“ im Mai 2021, der nun die Lastenradtauglichkeit vieler Straßen in ganz Deutschland aufzeigt. Die dazugehörige App folgte wenige Wochen später. „Beides sind keine fertigen Produkte“, betont Entwickler David Prenninger. Vielmehr wolle das Trio den Diskurs öffnen und zeigen, welche Standards Lastenräder brauchen, um als Ersatz für Autos in der Stadt unterwegs sein zu können, und welche Daten für die Routenplanung notwendig sind.

Der Schlüssel zur Entfaltung des Potenzials von Cargo Bikes

Mit Blick in die Zukunft ist davon auszugehen, dass Cargobikes eine vielversprechende Lösung für die Zustellung auf der letzten Meile sind. Sie bieten eine nachhaltige, wirtschaftliche und bequeme Alternative zu herkömmlichen Lieferfahrzeugen. Damit Lastenräder jedoch auf breiter Basis angenommen und effektiv genutzt werden können, spielen Städte und Lieferunternehmen eine entscheidende Rolle bei der Bereitstellung der nötigen Infrastrukturen. Dazu gehören der Bau fahrradfreundlicher Routen, das Sammeln von Daten über Hindernisse und Straßenbedingungen sowie die Gewährleistung der Sicherheit von Fahrer*innen und Fußgänger*innen.

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Intelligente Straßen: Können wir mit einer besseren Verkehrsplanung CO2-Emissionen im Verkehr senken?

13. Februar 2023 - 5:42

Simulationen waren schon immer ein wichtiger Bestandteil der Verkehrsflüsse in Städten. Mithilfe von Simulationen „wissen“ Ampeln, wann sie auf grün umspringen müssen, bei der Planung zeigt sich, wo wichtige Verkehrsschilder nötig sind und wie unsere Straßen als Ganzes zu organisieren sind.

Aber könnten Simulationen auch zur Verringerung der Kohlenstoffemissionen des Verkehrs eingesetzt werden?

Die Anforderungen an unsere Straßen ändern sich. Während sich die Entwicklung früher darauf konzentrierte, wie man den durch eine ständig wachsende Zahl von Autos auf den Straßen verursachten Verkehr entlasten kann, erkennen immer mehr Stadtplaner*innen, dass die Nachhaltigkeit unserer Straßen lange Zeit nicht berücksichtigt wurde.

Verkehrsstaus erhöhen den Kraftstoffverbrauch und damit auch die CO2-Emissionen, die unsere Lungen und unseren Planeten vergiften. Je schlimmer der Verkehr ist, desto länger dauert die Belastung und desto mehr irreversible Schäden werden angerichtet. Dennoch nimmt die Zahl der Autos auf unseren Straßen zu. Im Jahr 2021 betrug die Zahl der in der EU zugelassenen Personenkraftwagen 253 Millionen und ist damit gegenüber 2016 um 8,6 Prozent angestiegen. Doch je mehr Autos auf den Straßen unterwegs sind, desto mehr Staus sind zu erwarten – was wiederum die Treibhausgasemissionen weiter ansteigen lässt.

Dass wir uns bereits auf äußerst dünnem Eis bewegen, ist hinreichend bekannt. In Europa -und weltweit – sind wir noch weit davon entfernt, bis 2050 kohlenstoffneutral zu werden.

© Li-An Lim/ Unsplash-Lizenz

Wie also kann die Digitalisierung zu einer nachhaltigeren Verkehrsplanung beitragen – und ist dies überhaupt der richtige Ansatz zur Emissionsreduktion? Einige Studien jedenfalls bestätigen die Annahme, dass CO2-Emissionen durch die Verbesserung von Verkehrsabläufen, insbesondere durch die Verringerung von Verkehrsstaus, gesenkt werden können. Hier stellen wir einige Projekte vor, die unsere Straßen intelligenter – und auch umweltfreundlicher – machen sollen.

Europäische C-Roads: Verbindung von Automatisierung und Effizienz

Die gemeinsame Initiative C-Roads der europäischen Mitgliedstaaten und Straßenbetreibenden entwickelt ein Netz so genannter Smart Roads. Dabei geht es vor allem darum, die Fahrsicherheit zu erhöhen. Die Sammlung und Nutzung von Big Data ermöglicht jedoch auch einen effizienteren Straßenverkehr: „Durch die Anpassung von Route und Geschwindigkeit auf der Grundlage von Unfällen, Baustellen [und] Wetterbedingungen ist es möglich, das Straßennetz optimal zu nutzen und den Verkehr flüssiger zu gestalten. Dadurch werden Staus vermieden, die Fahrten werden schneller und komfortabler und die CO2-Emissionen sinken“.

Das URBANITE-Projekt: Die Verkehrssimulation vorantreiben

Das URBANITE-Projekt mit Sitz in Helsinki bringt Expert*innen für Verkehrssimulationen zusammen, um die gegenwärtige und künftige Nutzung der Verkehrssimulation in der Stadt zu diskutieren.

Eine Verkehrssimulation lässt sich grob als ein Modell definieren, das auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeits- und Zufallsberechnungen Vorhersagen über die Verkehrsbedingungen macht. Diese Simulationen stellen wahrscheinliche Situationen auf der Grundlage früherer Bedingungen dar. Zum Beispiel wird das Verkehrsaufkommen auf der Straße um 17 Uhr wahrscheinlich höher sein als um 3 Uhr morgens. Wann sollten also geplante Baustellen stattfinden? Und wie werden sich diese auf die Verkehrsüberlastung auswirken? Viele so genannte Smart-Street-Projekte nutzen Simulationen zur Unterstützung ihrer Modelle.

Im Rahmen des Projekts sollen bestehende Probleme bei der Verwendung von Verkehrssimulationen aufgezeigt und für die Zukunft optimiert werden. Zum Beispiel hat das Ziel, den Autoverkehr flüssiger zu machen, derzeit Vorrang vor den Zielen des Aktionsplans für ein klimaneutrales Helsinki. Wenn der Autoverkehr auf den Straßen in den letzten Jahren zugenommen hat, was sich auf das Verkehrsaufkommen in der Stadt auswirkt, kann es sein, dass Personen, die sich mit Stadtplanung, aber nicht mit Nachhaltigkeit befassen, die Entscheidung treffen, die Zahl der Straßen zu erhöhen. Diese Vorhersage und die darauf folgende Entscheidung kann jedoch zu einem weiteren Anstieg des Autoverkehrs führen, was uns natürlich noch weiter von unseren Klimazielen entfernt.

Es gibt nur wenige Modelle, die nachhaltige Mobilität und Emissionsauswirkungen wirklich abbilden. Für die dringend nötige Mobilitätswende sind daher Verkehrssimulationen gefragt, die nicht die Verkehrsreduktion, sondern die Klimaziele in den Vordergrund stellen.

© Iwona Castiello d’Antonio/ Unsplash-Lizenz Digitales Testfeld: Mit automatisierten Fahrzeugen in die Zukunft blicken

Glücklicherweise ist es nicht nur Helsinki, das sich eine Zukunft mit intelligenteren Straßen vorstellt. Berlin hofft zum Beispiel, mit dem SAFARI-Projekt die Sicherheit, Effizienz und Nachhaltigkeit der Fahrzeugnutzung durch Automatisierung zu verbessern.

Das SAFARI-Projekt zielt darauf ab, automatisierte und vernetzte Fahrzeuge (AVF) zu entwickeln, die in der Lage sind, weiter vorauszusehen als eine einzelne Person am Steuer. Durch ein Netz von sich ständig aktualisierenden, hochpräzisen Kartierungen von Fahrspuren, Verkehrsinfrastruktur und LSA-Daten (Logistics Support Analysis) sollen „plötzliche Brems- und Lenkmanöver vermieden, LSA-Grünphasen optimal angefahren und sogar die Wege für die Parkplatzsuche reduziert werden“. Die Vorteile für den Menschen liegen auf der Hand. Wenn die Technik wie vorgesehen funktioniert, dann „wird die Zahl der Unfälle zurückgehen, [da] mehr als 90 Prozent der Unfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen sind.“ Zudem hat die Technologie einen klaren Vorteil für ältere und weniger mobile Menschen, da sie bei einer unabhängigen Mobilität unterstützt.

Projekt KI4LSA: Künstliche Intelligenz für Lichtsignalanlagen

Ein weiteres deutsches Projekt mit dem etwas sperrigen Namen KI4LSA entwickelt KI für die Optimierung des Verkehrsflusses. Die Technologie soll den Fahrgästen helfen, schneller von A nach B zu kommen, den Straßenlärm zu reduzieren und – was besonders wichtig ist – die Luftverschmutzung zu verringern.

Neben den LSA-Daten wird ein Echtzeit-Sensorsystem die Verkehrsströme aufzeichnen und relevante Umweltdaten sammeln, bevor sie zur cloud-/edge-basierten Verarbeitung weitergeleitet werden. Die Technologie ist so konzipiert, dass sie selbstständig Strategien zur Optimierung des Verkehrsflusses in Echtzeit erlernt und mit der Zeit immer besser wird. Die gesammelten Daten werden anderen Akteuren als offene Daten zur Verfügung gestellt, was bedeutet, dass theoretisch die ganze Welt diese Technologie nutzen könnte. Die Luftverschmutzung ist also eine Kennzahl, die mit diesem Projekt angegangen wird. Aber wird damit auch das größere Problem angegangen?

Tut Europa genug, um uns zu einer CO2-neutralen Mobilität zu bewegen?

Die Befürworter*innen dieser neuen Technologien im Verkehrsmanagement stellen sie als „nahtlose Verbindung von Umweltaktivismus, bequemer Mobilität und wirtschaftlichem Potenzial“ dar. Eine immer lauter werdende Opposition geht jedoch davon aus, dass die derzeitigen intelligenten Mobilitätslösungen nicht so nachhaltig sind, wie sie zunächst scheinen. Nicht nur sind ihre Annahmen, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, aufgrund des derzeitigen Mangels an Daten oft zweifelhaft, sondern vor allem steht zu befürchten, dass sie sogar eine zusätzliche Nachfrage nach Fahrzeugen bewirken könnten, da das Autofahren bequemer wird.

Denn letztendlich ist der Autoverkehr nicht nachhaltig. Pkws sind ein großer Umweltverschmutzer: Sie verursachen 61 Prozent der gesamten CO2-Emissionen des Straßenverkehrs in der EU und waren allein im Jahr 2020 für rund 468,3 Millionen Tonnen Kohlendioxid (MtCO₂) verantwortlich. Ist eine Methode zur Verringerung der durch Staus verursachten Emissionen in diesem Zusammenhang also ein Schritt in die richtige Richtung? Auf jeden Fall. Aber es muss noch mehr getan werden, um uns von der Abhängigkeit vom Individualverkehr zu lösen, oder die Klimaziele werden unerreicht bleiben.

Dieser Artikel gehört zum Dossier „Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität“. Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers zum Thema „Mission Klimaneutralität – Mit digitalen Lösungen die Transformation vorantreiben“ erstellen.

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Sind die Busse der Zukunft fahrerlos?

9. Februar 2023 - 9:10

Autonomes Fahren ist in aller Munde, Unternehmen wie Tesla, Nvidia und Uber arbeiten mit Hochdruck daran, ihre selbstfahrenden Autos auf die Straße zu bringen. Die autonomen Fahrzeuge sollen weniger Stress für die Fahrer*innen bedeuten und statt die Hände am Lenkrad behalten zu müssen, könnte die Fahrt in der eigenen Kapsel auch zum Arbeiten oder Schlafen genutzt werden. Technisch sind Autos schon jetzt in der Lage, mehr oder weniger zuverlässig selbstständig durch die Straßen zu navigieren. Doch bis hierzulande die Anwesenheit eines Menschen hinter dem Steuer nicht mehr nötig ist, ist es mindestens regulatorisch noch ein Stück Weg.

Die Frage ist aber: Brauchen wir wirklich autonome Privatfahrzeuge? Unsere Klimaziele im Verkehrssektor erreichen wir nicht dadurch, dass wir die gleiche Anzahl an Pkws durch E-Autos ersetzen oder autonom fahren lassen, sondern nur dadurch, dass wir auf Alternativen umsteigen. Und wer während der Fahrt andere Dinge tun möchte, hat – zumindest in den Städten – schon längst die Möglichkeit dazu. Öffentliche Verkehrsmittel bringen Passagiere zum Ziel, ohne dass diese einen Finger rühren müssen. Weniger fragwürdig dagegen ist die Hoffnung, das autonome Fahrzeuge eine unabhängige Mobilität für Menschen ermöglichen könnten, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht selbst fahren können. Dies kann sich auf ihre Beschäftigung, ihren Zugang zur Gesundheitsversorgung und ihre Abhängigkeit von Familienmitgliedern und Freunden auswirken.

Was ist autonomes Fahren?

Das Ziel des autonomen Fahrens ist, zumindest einen Teil der Verantwortung für den physischen Betrieb von Fahrzeugen vom Menschen auf speziell ausgebildete Maschinen zu übertragen. Es gibt sechs Stufen der Automatisierung – die sogenannten SAE-Levels:

Stufe 0: Keine Automatisierung des Fahrens
Stufe 1: Fahrerassistenz
Stufe 2: Teilweise Automatisierung des Fahrens
Stufe 3: Bedingte Fahrautomatisierung
Stufe 4: Hohe Fahrautomatisierung
Stufe 5: Vollständig automatisiertes Fahren

Aufgrund rechtlicher und versicherungstechnischer Risiken ist die Chance, ein autonomes Fahrzeug der fünften Stufe auf der Straße zu sehen, in Deutschland jedoch noch weit entfernt.

Aber: Wie nachhaltig ist autonomes Fahren?

Auch wenn geschätzt wird, dass autonome Autos den Kraftstoffverbrauch um etwa 15 bis 20 Prozent senken werden, bringt das nur wenig Entlastung bei den verkehrsbedingten CO2-Emissionen. Autos waren allein im Jahr 2019 für rund 164 Millionen Tonnen Treibhausgase verantwortlich und machen 61 Prozent der gesamten CO2-Emissionen des EU-Straßenverkehrs aus. Aus ökologischer Sicht ist es also keine große Verbesserung, die Straßen weiter mit Autos zu füllen – egal , ob autonom oder nicht.

Sobald jedoch mehr Fahrgäste mitfahren, sinken die Emissionen pro Fahrgast drastisch. Eine bessere Auslastung ist ein wichtiger Faktor für eine höhere Effizienz der Mobilität. Wesentlich sinnvoller scheint es daher, autonome Fahrzeuge im öffentlichen Nahverkehr anstelle von Privatfahrzeugen einzusetzen. Die Idee: Mehr Fahrzeuge mit geringerem Personalaufwand könnten dabei helfen, den ÖPNV massiv auszubauen und durch das verbesserte Angebot noch mehr Menschen zum Einstieg bewegen. Die Vision: Kleine, autonome Shuttlebusse als geteilter Individualverkehr ohne Blechlawine, ohne „Stehzeuge“, ohne Warten auf den Bus – und durch eine intelligente Routenplanung mit flexiblen Ein- und Ausstiegen. Verschiedene Pilotprojekten jedenfalls erproben schon heute die Möglichkeiten autonomer oder automatisierter Shuttles.

Be_automateD – Evaluierung der wahren Kosten

Im Projekt „Be_automateD“ wird aktuell ein Modell für automatisierte Shuttlebusse entwickelt. Das auf offenen Daten basierende Bewertungsmodell vergleicht die Infrastrukturkosten mit dem potenziellen Nutzen neuer Buslinien. Die Infrastrukturkosten beruhen auf einer umfassenden Analyse offener Daten für das betrachtete Gebiet, in diesem Fall am Beispiel der Stadt Köthen. Das Besondere daran ist, dass nicht nur die wirtschaftlichen Auswirkungen neuer Erschließungsgebiete untersucht werden, sondern auch deren Auswirkungen auf den Klimawandel und die Luftverschmutzung. Damit soll im Rahmen des Projekts ein ganzheitlicheres Kosten-Nutzen-Verhältnis von öffentlichen Verkehrswegen ermittelt und gleichzeitig ein Beitrag zur grünen Revolution im Mobilitätssektor geleistet werden. Durch die Bereitstellung einer detaillierten Analyse der lokalen Infrastruktur trägt das Projekt auch zu den digitalen Upgrades bei, die für die Einführung automatisierter und autonomer Systeme im öffentlichen Verkehr notwendig sind.

SMO-II – Künstliche Intelligenz kümmert sich um dich

Das kürzlich in Deutschland gestartete Projekt „SMO-II“ bringt die Automatisierung auf ein neues Niveau. Ziel ist es, mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und anderen Technologien so viele Prozesse rund um die Mobilität wie möglich zu automatisieren. Im Mittelpunkt des Projekts steht das Erreichen der SAE-Automatisierungsstufe 4 sowie die Verbesserung der Fahrgastbetreuung. Ein Kontrollzentrum soll das Shuttle aus der Ferne überwachen und die Fahrzeuge fernsteuern, wenn die Sensoren und Manöver noch nicht ausgereift genug sind. Der Shuttle soll alle Anforderungen der Fahrgastnachfrage meistern, auch unter schwierigen Wetterbedingungen.

© Phuoc Anh Dang Mobil 2040 – Wie kann das funktionieren?

Ein weiteres Projekt ist die Prüfung der technischen Machbarkeit von automatisierten Shuttlebussen für den Landkreis Oberhavel in Brandenburg. Das Shuttle-Projekt Oberhavel – Mobil 2040 ist Teil eines größeren ÖPNV- und Mobilitätskonzepts, das auch ein integriertes Mobilitätskonzept für die Stadt zum Ziel hat. Das Projekt basiert auf einer intensiven Analyse des heutigen ÖPNV-Angebots. Um die Realisierbarkeit der Kernroute zu prüfen, wurden Informationen über Verkehrsregeln, -dichte und -infrastruktur akribisch dokumentiert und ausgewertet und so erfasst, welche infrastrukturellen und verkehrlichen Herausforderungen auf Shuttles zukommen könnten. Diese Daten wurden mit dem Wissen über die derzeitige Nutzung des öffentlichen Verkehrs kombiniert, um Strecken zu finden, auf denen ein Shuttle bereits realisiert werden könnte. Deutlich geworden sind dabei auch die Hürden: Der Automatisierung bestimmter Strecken stehen derzeit eine hohe Verkehrsdichte, enge Straßen, zu viele Ampeln oder parkende Autos in Halteverbotszonen entgegen.

Doch neben den technischen Vorrausetzungen und Fragen nach Haftung und Versicherung muss auch geklärt werden, wie eigentlich die neuen Haltestellen aussehen sollten, welche Optionen für den Einsatz auf Abruf bereitstehen und wie Wartung und Energiemanagement aussehen sollten.

Es bleibt noch viel zu tun

Weltweit gibt es viele weitere Projekte, die autonome und automatisierte Shuttle auf den Weg bringen wollen, wie SHOW (SHared automation Operating models for Worldwide adoption), das in über 20 Städten in ganz Europa durchgeführt wird, sowie das ULTIMO-Projekt, das in drei europäischen Städten aktiv ist. Diese Projekte legen zwar wichtige Grundsteine, sind aber noch weit von einem Regelbetrieb entfernt. Pilotversuche auf öffentlichen Straßen unterliegen einer Vielzahl von Anforderungen, und die Genehmigungsverfahren sind langwierig und teuer. Shuttles, die derzeit als Direktverbindungen zu weiter entfernten Bahnhöfen im Einsatz sind, können nur mit sehr komplexen Einzelgenehmigungen getestet werden.

Auch verlässliche Folgenabschätzungen für autonome Shuttle-Dienste gibt es aktuell noch nicht. Sowohl der Ressourcen- als auch der Energiebedarf sind noch unklar, und es ist noch kaum abzuschätzen, ob sich autonome Fahrzeuge wirklich positiv auf die aktuelle Verkehrsverteilung auswirken. Klar ist jedoch schon jetzt: Ob autonome Shuttles dazu beitragen, die verkehrsbedingten CO2-Emissionen zu senken, hängt stark davon ab, wie sie eingesetzt werden.

Es liegt auf der Hand, dass autonome oder automatisierte Shuttles noch einen langen Weg vor sich haben; viele rechtliche, finanzielle und strukturelle Hürden stehen einem selbstfahrenden öffentlichen Verkehrssystem im Wege stehen. Doch während die Teslas, Nvidias und Ubers daran arbeiten, den – aus Perspektive des Klimaschutzes kritisch zu betrachtenden – privaten Pkw-Sektor zu revolutionieren, schaffen Projekte wie Be_automateD oder SMO-II die technologische Grundlage für einen autonomen öffentlichen Verkehr.

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Eine Drohne macht DNA-Abstriche in den Baumkronen des Regenwaldes

6. Februar 2023 - 10:10

Früher bedeutete Naturschutzforschung, sich auf ausgiebige Trecks in die Wildnis zu begeben, schwer fassbare Tiere in schwierigem Gelände aufzuspüren und stundenlang in Kameraverstecken auszuharren. Neue Technologien jedoch erleichtern Biodiversitätsforscherinnen und Naturschützerinnen, schneller und bequemer an die benötigten Daten zu gelangen.

Heutzutage muss man ein Tier nicht einmal mehr sehen, um zu wissen, dass es da ist. Umwelt-DNA (eDNA) sind Spuren von zellulärem Material, das von Tieren hinterlassen wird – zum Beispiel durch Hautkontakt oder Exkremente – und das direkt aus der Umwelt entnommen und untersucht werden kann. Anhand dieser Spuren können Profile von Ökosystemen erstellt werden, um die Anzahl, Häufigkeit und sogar den Gesundheitszustand von Tierarten zu ermitteln.

Die Entnahme von eDNA-Proben ist jedoch nach wie vor mit einigen Herausforderungen verbunden. Während die Gewinnung von Boden- und Wasserproben relativ einfach ist, sind andere Lebensräume – wie das Kronendach des Waldes – für Forschende schwieriger zu erreichen. Vor diesem Hintergrund haben die ETH Zürich und die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL in Zusammenarbeit mit dem eDNA-Experten SPYGEN eine spezielle Drohne entwickelt, die eDNA aus den Baumkronen aufnimmt. Die autonome Drohne ist mit Klebestreifen ausgestattet, um eDNA-Material von Blättern und Ästen zu sammeln – ist aber mehr als nur eine in Klebeband eingewickelte Drohne. Das Gerät benötigt eine ziemlich komplexe Software, um durch alle Arte von Bäumen und deren Ästen navigieren und sicher landen zu können. Daher wurde die Drohne mit einer ausgeklügelten Programmierung und einem Kraftmesskäfig ausgestattet, damit sie lokale Faktoren besser messen und entsprechende Anpassungen vornehmen kann.

Einmal eingesammelt werden die DNA-Spuren dann digital vervielfältigt, sequenziert und mit bekannten Profilen lokaler Tiere abgeglichen. Anhand dieser Daten können genaue Bewertungen der örtlichen Tierwelt vorgenommen werden.

Das Design wurde an sieben verschiedenen Baumarten in der Schweiz getestet, wobei die Profile von 21 verschiedenen Gruppen von Vögeln, Säugetieren und Insekten ermittelt wurden. Um die Fähigkeiten der Drohne unter tropischen Bedingungen zu testen, ist die Drohne für Testflüge durch den Masoala Regenwald des Zoos Zürich gekreist. Da bereits bekannt ist, welche Tiere sich in welchem Gehege befinden, kann die Genauigkeit und Gründlichkeit der Drohne dabei ziemlich gut beurteilt werden.

Zairon Auch wenn Singapore ein dicht urbanisierter Stadtstaat ist, gibt es noch einige Reste primären Regenwaldes.

Ein Großteil dieses Trainings dient der Vorbereitung der Drohne und des Teams auf einen speziellen Wettbewerb, der nächstes Jahr in Singapur stattfinden wird. Der 2019 ins Leben gerufene XPrize Rainforest-Wettbewerb zielt darauf ab, eine Vielzahl von Fernüberwachungstechnologien auf Herz und Nieren zu prüfen. Im Finale, das für 2024 geplant ist, werden die Teams mithilfe künstlicher Intelligenz, Bilderkennung und Audio-Monitoring-Technologien darum wetteifern, innerhalb von 24 Stunden so viele Proben wie möglich aus einem 100 Hektar großen Gebiet des Regenwaldes zu gewinnen.

Wenn das Team der ETH Zürich den Preis in die Hände bekommen will, muss es sein System allerdings noch weiter verfeinern. Derzeit brauchte das Team drei Tage, um die Proben von den sieben verschiedenen Bäumen in Zürich zu sammeln – in Singapur haben sie nur einen einzigen Tag Zeit. Darüber hinaus stellt das Sammeln von Proben in einem echten Regenwald zusätzliche Hürden dar, wie zum Beispiel häufiger Regen, Wind und Wolken, die die Proben wegspülen und die Kontrolle der Drohne behindern können.

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UrbanTide will Städte mithilfe von KI beim Umgang mit Krisen unterstützen

1. Februar 2023 - 5:55

Vom Monitoring wildlebender Tiere über den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft bis hin zur Entwicklung neuer Enzyme – KI kann in vielen Fällen Dinge schneller, günstiger und konsistenter erledigen als Menschen. Daher werden Technologien der künstlichen Intelligenz schon heute eingesetzt, um die Effizienz und Nachhaltigkeit in einem breiten Spektrum von Bereichen zu verbessern.

Die Entwicklung einer eigenen KI ist jedoch nicht ganz einfach. Für viele Organisationen wie Kommunalverwaltungen, kleinere NGOs und Unternehmen liegt dies außerhalb ihres Fachwissens und Budgets. Die Entwicklung einer KI kann bis zu 300.000 USD kosten – je nach Größe der Plattform und ihrem Zweck.

Das britische Unternehmen UrbanTide hat dieses Problem – und die Marktlücke – erkannt. Daher bietet das Unternehmen anpassbare KI-Lösungen an, die auf spezifische Bedürfnisse und Sektoren zugeschnitten werden können, insbesondere auf solche, die mit Nachhaltigkeit zu tun haben. Das Rückgrat ihres Dienstes ist uSmart, eine KI- und Dateninnovationsplattform, die Datenintegration – auch aus älteren Systemen -, Datenaustausch, Einblicke und Visualisierung in einem Paket ermöglicht.

Auf der Grundlage von uSmart hat UrbanTide bereits spezialisierte Dienste entwickelt, die sich mit Fragen des Wohnungsbaus und des Verkehrs befassen.

UrbanTide

Die uZero-Anwendung dagegen ist ein Instrument, mit dem sich Energiearmut abbilden, erkennen und vorhersagen lassen soll. In England wird als ein von Energiearmut betroffener Haushalt als einer definiert, dessen Haus eine Energieeffizienzklasse von D oder niedriger hat und der nach den Ausgaben für Heizkosten unterhalb der Armutsgrenze liegt bzw. dessen Ausgaben für Heizmaterial 10 Prozent des Einkommens betragen, so dass nur wenig für andere Zwecke übrig bleibt.

Im Mittelpunkt dieses Problems stehen oft ältere, schlecht isolierte Häuser, die damit sowohl finanzielle als auch ökologische Probleme verursachen. Auch wenn es staatliche Zuschüsse für die Nachrüstung dieser Gebäude gibt, ist es oft schwierig zu wissen, wo genau diese am effektivsten eingesetzt werden. Durch den Einsatz von uZero können sich Gemeinden einen Überblick über die Energieeffizienz bestimmter Gebiete verschaffen, während der KI-Algorithmus – unter Verwendung von Daten aus intelligenten Zählern und anderen Quellen – potenzielle CO2-Einsparungen und Sanierungskosten vorhersagt. All dies soll eine effizientere und gerechtere Nutzung der begrenzten Mittel, die Regierungen zur Verfügung stehen, ermöglichen.

Ein weiteres von UrbanTide entwickeltes Tool ist uMove, eine Open-Source-Analyseplattform, die darauf abzielt, nationale Verkehrsstatistiken an einem Ort zu sammeln. In jüngster Zeit hat UrbanTide mit Cycling Scotland zusammengearbeitet, um Daten von 528 integrierten Fahrradsensoren im ganzen Land zu analysieren und so die offene Active Travel Open Data Platform zu schaffen. Durch die Bereitstellung dieser Informationen wird für lokalen Regierungen sichtbar, wo der Radverkehr zunimmt – was vielleicht neue Infrastrukturen erforderlich macht – oder wo der Radverkehr gering bleibt, vielleicht aufgrund fehlender Radwege oder Sicherheitsbedenken.

Cycling Scotland

Außerdem kann die intelligente Software Organisationen wie Cycling Scotland dabei helfen, bei Regierung Verbesserungen und Dienstleistungen zu beantragen, indem sie genaue und objektive Informationen bereitstellt. So verzeichnete die Active Travel Open Data-Plattform während der Pandemie einen Anstieg des Radverkehrs um 47 Prozent.

UrbanTide entwickelt auch ein zusätzliches Tool, uReveal, das darauf abzielt, potenziellen Betrug bei der Zahlung von Non-Domestic Rates – Steuern, die auf Gewerbe- und Geschäftsimmobilien erhoben werden – aufzudecken. Durch die Verwendung von Satellitenbildern und NDR-Bewertungslisten soll uReveal mehr Mittel für den öffentlichen Gebrauch freisetzen.

Darüber hinaus trägt UrbanTide auch zur Förderung der Energiewende in Großbritannien bei, indem es den Energy Revolution Integration Service unterstützt. Über die UrbanTide-Plattform werden Milliarden von Daten von intelligenten Zählern und Internet-of-Things-Geräten aufgezeichnet und gesammelt, die sowohl Echtzeit- als auch historische Energieanalysen ermöglichen – und so Erfolge und Mißstände der Energiewende sichtbar machen.

Darin, dass sowohl Regierungen als auch kleinere Organisationen Zugang zu KI-Tools erhalten, steckt die Chance, dass sie ihre Aktivitäten erheblich steigern und Gleichheit und Transparenz auf lokaler und nationaler Ebene verbessern. Allerdings sollte der Enthusiasmus für KI nicht dazu führen, dass ökologische und soziale Aspekte der Technologie – insbesondere der hohe Energiebedarf – außer Acht gelassen werden.

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Trufi: Mit einer App die Sackgassen des öffentlichen Verkehrs auflösen

30. Januar 2023 - 5:26

Wir sind daran gewöhnt: Ein Fingerswipen und innerhalb von Sekunden erscheint ein umfassender Live-Routenplan mit mehreren Verkehrsoptionen und Verspätungswarnungen auf dem Bildschirm unseres Smartphones. Unterwegs noch einen Kaffee trinken? Kein Problem. Die 17 am besten bewerteten Cafés auf der Route, komplett mit Öffnungszeiten, Bewertungen und Wegbeschreibung stehen sofort bereit. Auch wenn die Verbindungen und Netze noch wesentlich besser sein könnten – selbst in kleineren europäischen Städten stellen Karten- und ÖPNV-Apps – zumindest einigermaßen – zuverlässige und häufig aktualisierte Informationen bereit.

In Städten wie Duitama ist die Situation jedoch ganz anders. In der zentralkolumbianischen Stadt mit mehr als 112.000 Einwohnerinnen und Einwohnern gibt es keine öffentliche Datenquelle mit den Routen und Fahrplänen der drei Busunternehmen. Für alle, die sich mit Bus und Co. auf den Weg machen wollen bedeutet das, die Fahrpläne der einzelnen Unternehmen manuell abgleichen zu müssen, um eine passende Route zu finden. Verspätungen lassen sich nicht vorhersagen und jenen, die die Stadt nicht kennen, bleibt nichts anderes übrig als sich durchzufragen, um die nächstgelegene Haltestelle zu finden.

Doch auch wenn hierzulande die wichtigsten Informationen zur Hand sind, kann es dennoch für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen schwierig sein, einen optimalen Weg mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu planen. Wenn Aufzüge oder Rolltreppen defekt sind, vorgeschlagene Bahnhöfe nur eingeschränkt mit dem Rollstuhl befahrbar sind oder es andere unvorhergesehene Hindernisse auf der Strecke gibt, können Verkehrsnutzer*innen im Rollstuhl oder mit Kinderwagen echte Probleme haben, ihre Strecke zu bewältigen.

Trufi verschafft Menschen weltweit einen Zugang zum ÖPNV

Genau hier setzt Trufi an: Die internationale NGO will den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln erleichtern. Begonnen hat alles 2018 in Cochabamba, Bolivien. Laut Ted Johnson, Kommunikationsdirektor bei Trufi, war es „sehr frustrierend, in Cochabamba mit öffentlichen Verkehrsmitteln von A nach B zu kommen“. Die Mission der NGO ist einfach: „Menschen dabei zu helfen, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, und öffentliche Verkehrsmittel im globalen Süden attraktiver zu machen.“

Trufi Association 2023 Trufi hilft den Menschen in Cochabamba durch ihre Stadt zu navigieren.

Ted räumt ein, dass „für jemanden in einem Industrieland das, was unsere Apps tun, nicht besonders beeindruckend klingt… [aber] in Cochabamba kann man zum Beispiel mit Google Maps keine Fahrt mit den Bussen (Trufis genannt) durch die Stadt planen. Aber mit unserer App geht das. Für die Menschen in Cochabamba ist diese Möglichkeit eine große Erleichterung.“

Trufi hat sich auf die Bereitstellung bzw. Erfassung von geografischen Routing-Daten spezialisiert, die dann zu brauchbaren mobilen Apps weiterentwickelt werden. Um diese Datenerfassung und -weitergabe zu erleichtern, haben Initativen wie die Arcadis IBI Group, MobilityData sowie Trufi Open-Source-Tools entwickelt, die dann frei zur Verfügung stehen. „Unsere Apps brauchen die Daten, um das zu tun, was sie tun, aber wir behalten diese Daten nicht für uns“, betont Johnson.

In Nouakchott in Mauretanien, aber auch in vielen anderen Städten, hat diese Arbeit bereits dazu beigetragen, die erste vollständigen Karten des öffentlichen Nahverkehrs zu erstellen. Und in Tetouan in Marokko, Accra in Ghana, Cochabamba in Bolivien und mehreren Städten in Deutschland sind auf Basis dieser Technologie bereits Mobilitäts-Apps entwickelt worden.

Eine der Apps, route:able, befindet sich derzeit im Proof-of-Concept-Stadium. Wenn es soweit ist, wird sie Nutzenden in Baden-Württemberg ermöglichen, Fahrten zu planen, ohne auf außer Betrieb befindliche Aufzüge und andere Hindernisse zu stoßen. Wie die Trufi-App, die Bürger*innen weltweit den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln – einschließlich des informellen Verkehrs – über ihre Mobiltelefone ermöglicht, will route:able OpenStreetMap für die Kartierung der öffentlichen Verkehrswege nutzen.

„Der Mangel an Verkehrsdaten für die verschiedenen Verkehrsträger in afrikanischen Städten führt oft dazu, dass Entscheidungen getroffen werden, ohne zu berücksichtigen, was vorhanden ist, was funktioniert und was nicht“, berichten die Gründer von Trufi. In Ghana sammelt die Trotro-App von Trufi daher informelle und formelle Fortbewegungsmöglichkeiten und identifiziert fehlende Routen, um den Menschen die Navigation in Accra zu erleichtern.

Mit Daten den Übergang zu einer klimafreundlichen Mobilität erleichtern

Das Modell von Trufi, bei dem offene Daten, Open-Source-Tools und ein gemeinschaftliches „digitales Gemeingut“ durch die Arbeit mit der lokalen Gemeinschaft zum Einsatz kommen, hat das Potenzial, die Kosten drastisch zu senken und den öffentlichen Verkehr zu verbessern. Dies könnte viele Länder bei dem Übergang zu einer umweltfreundlichen Mobilität unterstützen.

Chris Arthur-Collins Informelle Verkehrsmittel wie Tuk-tuks könnten schon bald auch in Navigations-Apps erscheinen.

Dies gilt insbesondere, wenn man bedenkt, dass der Verkehr von allen Sektoren weltweit am stärksten auf fossile Brennstoffe angewiesen ist – im Jahr 2021 war dieser Sektor für 37 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. 2018 verursachten Autos und ähnliche Verkehrsmittel allein in der EU rund 888 Millionen Tonnen Treibhausgase. Diese astronomischen Emissionen treiben die Klimakatastrophe voran, belasten die Gesundheit, zerstören Ökosysteme und verbrauchen riesige Mengen an energieintensiven Ressourcen wie Aluminium, Stahl und Kunststoff.

Dennoch berichtet Ted Johnson, dass es immer wieder schwierig ist, Behörden von dem Ansatz von Trufi zu überzeugen. „Die Verkehrsbehörden in vielen Städten müssen sich erst noch für die Möglichkeiten der von uns generierten Daten begeistern. Wir können ihre blinden Flecken beseitigen, damit sie wissen, was in ihrer Stadt vor sich geht“.

Ted ist jedoch fest davon überzeugt, dass Trufi seine Mission zur Demokratisierung des öffentlichen Nahverkehrs weltweit fortsetzen wird, auch wenn lokale Behörden immer wieder das Unternehmen ausbremsen: „Die Gleichgültigkeit von Verkehrsbehörden hält uns nicht von der Arbeit in einer Stadt ab. Es ist schön, eine Verkehrsbehörde als Partner zu haben, aber wir können auch ohne sie vorankommen, die Daten erstellen und eine App entwickeln.“

Öffentliche Verkehrsmittel bequem zugänglich, praktisch und zuverlässig zu machen, ist ein wesentlicher Schritt, um die Zahl von Autos und Privatfahrzeugen auf unseren Straßen zu reduzieren. Transparenz und Wissensaustausch sind dabei zwei der wichtigsten Instrumente, um die Mobilität zu modernisieren und zu digitalisieren, die Mobilitätswende voranzutreiben und unsere Klimaziele zu erreichen, bevor es zu spät ist. Das Engagement der NGO Trufi leistet dazu einen wichtigen Beitrag.

Dieser Artikel gehört zum Dossier „Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität“. Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers zum Thema „Mission Klimaneutralität – Mit digitalen Lösungen die Transformation vorantreiben“ erstellen.

Mehr Informationen hier.

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Abwärmenutzung aus Rechenzentren: Heizen wir unsere Gebäude bald mit Suchanfragen?

25. Januar 2023 - 9:04

Schon mal ein Smartphone „heißtelefoniert“? Oder vor einem Laptop gesessen, dessen Lüftung so hochfährt, als würde er gleich abheben? Was hier passiert verdeutlicht, dass dort, wo große Datenmengen verarbeitet werden, Wärme entsteht. Und damit Geräte dadurch nicht überhitzen und Schaden nehmen, müssen sie gekühlt werden. Das gilt nicht nur für Smartphone, Laptop und Co., sondern auch für Rechenzentren. Auf riesigen Flächen steht hier Server an Server und alle sind damit beschäftigt, unermüdlich unsere Daten zu verarbeiten. Jede Suchmaschinenanfrage, jede E-Mail, jede noch so kleine Aktion, die online ausgeführt wird, wandert als Datenpaket durch Rechenzentren und deren Server – und die dabei entstehende Wärme muss permanent runtergekühlt werden. Das führt vor allem zu einem hohen Stromverbrauch.

Der Energiehunger der Datenzentren

Wie hoch aktuell der Energiebedarf aller Rechenzentren weltweit ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Verschiedene Berechnungen reichen von 200 bis 500 Milliarden Kilowattstunden. Klingt etwas abstrakt, aber die Dimensionen veranschaulicht diese Tatsache: Wäre das Internet ein Land, dann stünde es im Energieranking irgendwo zwischen Platz drei und fünf. Das mechanische Kühlen ist dabei für rund 25 Prozent des gesamten Stromverbrauchs eines Rechenzentrums verantwortlich. Und die Abwärme? Verpufft meistens ungenutzt.

Um die hohen CO2-Emissionen von Rechenzentren herunterzufahren geht es also nicht nur darum, diese mit 100 Prozent erneuerbaren Energien zu betreiben, sondern auch eine effiziente Kühlung und die intelligente Nutzung der Abwärme sind wesentliche Stellschrauben. Gleichzeitig steckt darin auch ein großes Potenzial für die nachhaltige Wärmeversorgung, denn Rechenzentren produzieren das ganze Jahr über Wärme.

Stockholm wird mit Rechenleistung beheizt

Tatsächlich wird an einigen Orten die Abwärme unserer digitalen Welt schon genutzt. Vorreiter ist hier Schweden. Die drei Rechenzentren Pionen, Thule und St: Erics zum Beispiel versorgen bereits tausende von Haushalten in Stockholm mit Wärme. Das skandinavische Land ist mit seinem kühlen Klima ein idealer Standort für Rechenzenten, da dadurch weniger Strom für die Kühlung anfällt. Gleichzeitig setzt Schweden hauptsächlich auf Fernwärme, um Gebäude zu beheizen, und verfügt daher über ein gut ausgebautes Wärmenetz. Das macht es leicht, die Abwärme der Rechenzentren zu nutzen, da diese schon heute problemlos in das Fernwärmenetz eingespeist werden kann.

Cloud&Heat Rechenzentren können sowohl innerhalb von Gebäuden platziert sein, wie die Server des Startups Cloud&Heat, oder die Wärme wird von einem nahegelegenen Standort transportiert.

In Deutschland gibt es zwei Beispiele, in denen ein Neubaugebiet mit Wärme aus dem Rechenzentrum versorgt wird. Das neue Rechenzentrum von VW Financial Service in Braunschweig leitet rund zwei Prozent der Abwärme in das anliegende Wohngebiet und im neuen Wohnquartier „Westville“ in Frankfurt sollen demnächst ca. 70 Prozent des Wärmebedarfs aus der Abwärme des benachbarten Rechenzentrums abgedeckt werden.

Natürlich ist es auch denkbar, die überschüssige Wärme nicht nur in Nah- und Fernwärmenetze einzuspeisen, sondern auch Gebäude wie Schwimmbäder, Wäschereien oder Gewächshäuser, die permanent Wärme benötigen, damit zu versorgen. Erste Beispiele gibt es bereits. Das nordfriesische Unternehmen Windcloud zum Beispiel nutzt die Abwärme seines Rechenzentrums, um eine Algenfarm auf dem Dach zu beheizen.

Abwärmenutzung als Recyclingprozess

Die Verfahren der Abwärmenutzung sind technisch eigentlich ganz einfach. Entweder wird die Abwärme direkt genutzt oder nach einer Aufwertung. Bei der direkten Nutzung der Wärme wird diese über einen sogenannten Wärmetauscher aus dem Rechenzentrum über Rohre zum Beispiel unmittelbar in ein Gewächshaus transportiert. Um die Wärme in das Heizsystem eines Gebäudes oder Raums zu übertragen kann die Abwärme auch erst über einen Wärmetauscher von einer Kühlflüssigkeit – zum Beispiel Wasser oder Glykol – aufgenommen und anschließend über einen weiteren Wärmetauscher übertragen werden. Soll die Wärme dagegen in ein höher temperiertes Wärmenetz eingespeist werden, dann wird die Temperatur der Abwärme durch eine Wärmepumpe aufgewertet. „Im Großen und Ganzen ist die Abwärmenutzung aus Rechenzentren ein Art Recyclingprozess“, sagt Mira Weber, die sich als Projektmanagerin von Bytes2Heat der Abwärmenutzung aus Rechenzentren widmet.

Windcloud Die schematische Darstellung von Windcloud zeigt die Energieflüsse – Strom aus erneuerbaren Energiequellen fließt in das Rechenzentrum, die aus den Rechenprozessen entstehende Wärme heizt die Algenfarm.

Die Technologien für die Abwärmenutzung sind also bereits vorhanden – und werden, wie die genannten Beispiele zeigen, auch schon erfolgreich eingesetzt. Trotzdem setzen die wenigsten Rechenzentren in Deutschland auf ein Abwärmerecycling.

Wie kommt Fahrtwind in die Abwärmenutzung?

Dass die Wärme aus Rechenzentren in Deutschland bisher weitgehend ungenutzt bleibt, liegt einerseits an den Unternehmen selbst, denn da die Abwärmenutzung nicht zum Kerngeschäft der Rechenzentren gehört, hat diese auch keine hohe Priorität, so Mira Weber.

Auch infrastrukturelle Herausforderungen erschweren das Abwärmerecycling. Im Vergleich zu den skandinavischen Ländern sind die Nah- und Fernwärmenetze in Deutschland schlechter ausgebaut, die Wärme kann also nicht ohne weiteres in bestehende Netze eingespeist werden. „Zudem wissen die Rechenzentren und Wärmeabnehmer oft nicht, dass sie sich in unmittelbarer Nähe befinden und müssten erstmal zusammenfinden“, berichtet Weber.

Doch gerade mit den steigenden Preisen für fossile Energieträger wächst auch das Interesse an nachhaltiger Wärme und spätestens aus Klimaschutzgründen sollte es auch ein politisches Interesse daran geben, die Wärmequellen aus Rechenzentren auszuschöpfen.

In einer Studie kommen Forschende zu dem Ergebnis, dass ca. 20 bis 60 Prozent des gesamten Energieeinsatzes wiederverwendetet werden können – eine wohlgemerkt sehr große Bandbreite. Windcloud gibt an, mit seiner Algenfarm sogar 100 Prozent der Abwärme wiederverwenden zu können und das Startup Cloud&Heat aus Dresden 90 Prozent.

„Das Borderstep-Institut geht von einer Erhöhung des gesamten Strombedarfs der Rechenzentren auf 18 Milliarden Kilowattstunden (2025) aus, was zu einem geschätzten Abwärmenutzungspotenzial von 3,6 bis 10,8 Milliarden Kilowattstunden führt. Auf Europa bezogen wären das für 2030 voraussichtlich 19,7 bis 59 Milliarden Kilowattstunden“, schätzt Benjamin Ott, der sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Stuttgart auf die Abwärmenutzung in Rechenzentren spezialisiert hat. „Mit der Abwärmenutzung aus Rechenzentren könnte man also theoretisch bis zu 2 Prozent des gesamten deutschen Raumwärmebedarf privater Haushalte decken.“ Das bedeutet, dass eine Großstadt wie Berlin komplett mit Abwärme versorgt werden könnte.

Viele Direktnutzungsmöglichkeiten benötigen keinen Einsatz von Wärmepumpen. Allerdings sind sie für die Einspeisung ins Wärmenetz derzeit meistens noch notwendig, da es nur wenige Niedertemperaturnetze gibt „Es gibt jedoch eine Entwicklung, die uns entgegen kommt. Neue Gebäude werden mit großflächigen Fußbodenheizungen ausgerüstet und alte Gebäude werden nach und nach saniert. Dadurch sinkt zum einen die Temperaturanforderung und der Wärmebedarf, wofür die Abwärme aus Rechenzentren „perfekt“ geeignet ist und in Zukunft mehr Haushalte versorgen könnte“, so Ott.

Eine Abwärmenutzungspflicht bzw. die Bereitstellungspflicht der Abwärme durch die Rechenzentren und ein Einspeisevorrang für klimaneutrale Wärme durch die Wärmenetze wäre daher ein wichtiger politischer Rahmen, um die Abwärme unserer Rechenleistung flächendeckend zu recyclen. „Ergänzt werden muss dies durch eine Transparenzpflicht. Denn Abwärmenutzung ist eine gemeinschaftliche Aufgabe. Dafür müssen Wärmenetzen und Wärmequellen transparent werden und ihre Temperaturen, Einspeisepunkten etc. öffentlich zugänglich machen“, sagt Mira Weber. Dafür gefragt sind vor allem deutschlandweite bzw. EU-weite einheitliche Regelungen.

Mira Weber widmet sich seit April 2021 als Projektmanagerin von Bytes2Heat der Abwärmenutzung aus Rechenzentren. Zuvor hat sie BWL an der Universität Mannheim und Corporate Management & Economics an der Zeppelin Universität studiert. Während ihres Studiums war sie als Vorstandsvorsitzende einer Bildungsinitiative, Leiterin einer Nachhaltigkeitsinstitution und als Nachhaltigkeitsberaterin tätig.

Um die Abwärmenutzung aus Rechenzentren in Deutschland zu beschleunigen und gleichzeitig relevante Stakeholder zusammenzubringen, wurde das Vorhaben „Bytes2Heat“ ins Leben gerufen, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert wird. Zusammen mit den Projektpartnern, die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF), die Institute IER und IVR der Universität Stuttgart sowie die Innovative WärmeNetze GmbH (IWN), sollen im Rahmen des Projekts über eine Plattform Lösungstools entwickelt werden, die die Abwärme aus Rechenzentren im Wärmesektor nutzbar machen. „Beispielsweise kann man hier über unser Matching-Tool den passenden Abwärmenutzungspartner finden oder mit unserem Wirtschaftlichkeitsrechner die Rentabilität eines potenziellen Abwärmenutzungsprojekt berechnen“, berichtet Weber.

Zusätzlich sollen in den nächsten Jahren konkrete Pilotprojekte entstehen, um eine flächendeckende Umsetzung in Deutschland zu fördern. Es scheint also auch in Deutschland Bewegung in die Sache zu kommen.

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Das Radio als Energiequelle: Neue Technologie gewinnt Strom aus Funkfrequenzen

23. Januar 2023 - 2:39

Unsere belebten städtischen Räume sind bereits vollgestopft mit einer Vielzahl von Fahrzeugen, Maschinen, Menschen und Gebäuden – das ist, was wir sehen. Was wir nicht sehen: Auch die Luft selbst ist mit unsichtbarem Informationsverkehr gefüllt. Wifi-Signale, Radiowellen und Telekommunikation durchkreuzen ständig unsere Umgebung.

Eine neue Technologie will Funkfrequenzen nun zur Energiegewinnung nutzen: Forschende der Fakultät für Elektro- und Computertechnik der University of Central Florida (UCF) haben einen neuen Prototyp entwickelt, der das ansonsten ungenutzte elektrische Potenzial von Funkfrequenzen nutzen kann. Dabei haben insbesondere elektromagnetische Hochfrequenzwellen – die in den meisten besiedelten Gebieten am häufigsten vorkommen – das Potenzial, Geräte mit sehr geringem Stromverbrauch zu betreiben, ohne dass Batterien oder andere Energiequellen erforderlich sind.

Um diese Energie zu nutzen, verwendet das UCF-Gerät piezoelektrische Materialien, die durch mechanische Belastung fester Objekte eine elektrische Ladung erzeugen. Diese Spannungen können so subtil sein wie geringfügige Vibrationen in der Luft, und es gibt seit langem Theorien, dass auch Radio- oder Schallwellen dafür ausreichen.

Die UCF-Erfindung macht sich insbesondere den Mechanismus des Energieaustauschs zwischen mikroakustischen Wellen (die Grundlage für den größten Teil der Radiofrequenzsignalverarbeitung) und Elektronen zunutze. Die Radiofrequenzen und ihre mikroakustischen Wellen werden von dem Gerät erfasst und über ein piezoelektrisches Material auf einem Halbleiter geleitet. Durch die Wirkung der Wellen auf das Material wird Strom erzeugt, der dann in Gleichstrom umgewandelt und von dem angeschlossenen Gerät verwendet wird.

University of Central Florida

Ein Problem, das die praktische Nutzung von Funkwellen als Energiequelle einschränkt, ist die Notwendigkeit, Signale zu erfassen und zu übertragen, was ebenfalls Energie benötigen. Um diese Probleme zu lösen, haben die UCF-Forschenden eine Technologie entwickelt, die die Fähigkeit zur Stromspülung und zur Erfassung des Spektrums in ein passives Modul integriert. Dadurch würden stromintensive Messmodule überflüssig. Außerdem könnte diese Energie bei Bedarf in einem Kondensator oder einer Batterie gespeichert werden.

Ein weiteres Problem ist die Verfügbarkeit des für die Energieerzeugung benötigten Funkspektrums. Die Umwandlung erfolgt in einem Submillimeter-Funkwellenbereich und in einem speziell definierten Frequenzbereich. Um dieses Problem zu lösen, wurde das Gerät auch entwickelt, um „intelligentere“ Datenübertragungen zwischen Internet-of-Things-Knoten zu verarbeiten und die Belegung von Frequenzen in diesem Bereich zu verstehen. Vereinfacht ausgedrückt würde dies einem Gerät ermöglichen, Energie aus der von nahegelegenen IoT-Knotenpunkten abgestrahlten Funkfrequenzleistung zu gewinnen.

Das Konzept ist insbesondere auf die Versorgung von IoT-Sensoren und -Geräten mit geringer Leistung ausgerichtet – vor allem in einer städtischen Umgebung. Bisher setzt der Bedarf an Energie – der aktuell entweder von einem Solarmodul oder einer eingebauten Batterie gedackt werden muss – diesen Geräten praktische Grenzen. Solarmodule müssen eine bestimmte Größe und ständig Zugang zum Sonnenlicht haben, was in städtischen Gebieten mit hohen Gebäuden nicht immer möglich ist. Und Batterien müssen regelmäßig gewechselt werden, was zusätzliche Kosten verursacht. Ein Gerät, das Strom aus Radiowellen gewinnt, könnte dagegen konstant Strom erzeugen und dabei weniger Kosten beim Aufbau und der Wartung verursachen.

Ein Prototyp des Mini-Radiowellenkraftwerks existiert bereits; nun suchen die Forschenden nach Partner*innen für die Produktion.

Keine Drähte angeschlossen

Die drahtlose Energieübertragung klingt nach einer sehr fortschrittlichen Technologie – aber sie wird schon seit langem erprobt. Bereits Nikolai Tesla hat eine solche Technologie theoretisiert, die in den 1960er Jahren mit der Rectenna – einer Zusammensetzung aus „rectifying“ (gleichrichtend) und „antenna“ (Antenne) – zur Anwendung kam.

Heute werden Rectennas vor allem in Radiofrequenz-Identifikationsetiketten (RFID) verwendet, d.h. bei der Identifizierung von Gegenständen oder Lebewesen mithilfe elektromagnetischer Wellen, zum Beispiel in der Logistik und in Pässen. Ein RFID-System besteht aus einem Transponder (umgangssprachlich auch Funketikett genannt), der sich am oder im Gegenstand bzw. Lebewesen befindet und einen kennzeichnenden Code enthält, sowie einem Lesegerät zum Auslesen dieser Kennung. Diese barcodeähnlichen Anwendungen benötigen keine Sichtverbindung zu einem Scanner, um zu funktionieren, und können vorübergehend mit Strom versorgt werden, wenn bestimmte Funkwellen vorhanden sind. Weitere Anwendungen sind zum Beispiel berührungslose Chipkarten.

Die Energieübertragung über Funkwellen wird jedoch auch als Möglichkeit diskutiert, Sonnenenergie aus dem Weltraum zu übertragen oder Drohnen durchgängig mit Energie zu versorgen.

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Just in time: Mit dem On-Demand-Shuttle unterwegs auf dem Land

18. Januar 2023 - 10:16

Allein im Jahr 2019 waren Autos in Deutschland für rund 164 Millionen CO2-Emissionen verantwortlich. Damit ist die Mobilität der einzige Sektor, der seine Emissionen in den letzten Jahrzehnten nicht reduzieren konnte. Und das, obwohl in vielen Städten das eigene Auto zu einem Luxus geworden, der sich leicht durch öffentliche Verkehrsmittel ersetzen lässt. In ländlichen Gebieten dagegen ist ein Leben ohne Auto oft eine Notwendigkeit. Der Weg zur Arbeit, zum Arzt oder einfach nur zum Einkaufen ist nicht in 10 Minuten zu Fuß oder mit dem Rad zu bewältigen und viele abgelegene Gegenden sind gar nicht oder unzureichend an den ÖPNV angeschlossen. Mit Shuttle-Diensten auf Abruf wird nun vielerorts erprobt, die Lücke zwischen gemeinsam genutzten öffentlichen Verkehrsmitteln und individuellen Fahrten mit dem Auto zu schließen.

Das Problem der „letzten Meile“

Während die Bevölkerung in den Städten weltweit zunimmt, leben immer noch 43 Prozent der Weltbevölkerung in ländlichen Gebieten, in Europa sind es 27 Prozent. Dieser nicht unerhebliche Teil der Bevölkerung ist nach wie vor in hohem Maße auf das eigene Auto angewiesen. 90 Prozent der Haushalte in den ländlichen Gebieten Deutschlands besitzt mindestens ein Auto – ein großer Unterschied zu den Städten, in denen fast die Hälfte der Haushalte ohne ein eigenes Auto auskommt. Auch wenn viele Busse und Bahnen bereits kreuz und quer durchs Land kurven, scheitert die Mobilitätswende auf dem Land oft an der sogenannten „letzten Meile“. Es macht keinen Sinn, mit dem Zug zu fahren, danach in den Bus zu steigen, um dann an einer abgelegenen Haltestelle ohne Anschlussverbindung nach Hause festzusitzen. Es ist der letzte Schritt der Reise, der für viele das Auto immer noch unverzichtbar macht.

Leere Fahrten – Die Herausforderung der Auslastung © Marius Matuschzik/ Unsplash-Licence

Auch wenn Deutschland ein dicht besiedeltes Land ist, gibt es einige Gebiete, in denen die Bevölkerungsdichte und der Bedarf einfach nicht ausreichen, um eine regelmäßige Bahn- oder Busverbindung wirtschaftlich oder ökologisch tragfähig zu gestalten. Eine ganze Buslinie, die die täglichen Fahrten von 4 Fahrgästen abdeckt, ist immer noch nicht nachhaltig. Hier müssen andere Lösungen gefunden werden.

In der EU ist das Auto das vorherrschende Verkehrsmittel, wobei im Durchschnitt weniger als 2 Personen pro Auto unterwegs sind. Der Hauptanlass ins Auto zu steigen ist der tägliche Weg zur Arbeit, was dazu führt, dass viele leere Autos jeden Tag die gleichen Strecken fahren. Aber es gibt Hoffnung: Autos mit nur einem Fahrenden schneiden zwar deutlich schlechter ab als öffentliche Verkehrsmittel, aber mit jedem Mitfahrenden steigt die CO2-Effizienz. Die Anzahl der Fahrgäste ist damit ein wichtiger Faktor für eine effiziente Mobilität und macht etwa 70-90 Prozent der Emissionen aus, während nur die restlichen 10-30 Prozent durch Technologie, Bedingungen oder Entfernungen erklärt werden können. Um dies zu illustrieren: Die CO2-Effizienz eines Autos mit vier Fahrgästen ist ähnlich hoch wie die eines E-Scooters in Privatbesitz. Wenn wir ein Auto mit anderen teilen, verbessern wir also die Umweltauswirkungen unserer Reise drastisch – und entlasten zusätzlich die Verkehrsinfrastruktur.

Alle an Bord? Inklusion im ÖPNV

Was ist eigentlich mit allen, denen es aus irgendwelchen Gründen nicht möglich ist, ein Auto zu fahren? Können sie den öffentlichen Nahverkehr nutzen? Nun, nicht immer. Immer wieder funktionieren Aufzüge nicht, Busse haben keine Rampe für einen Rollstuhl oder die Fahrpläne sind zu kompliziert oder nicht auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen abgestimmt. Dies kann dazu führen, dass ältere Menschen oder Menschen mit Behinderungen auf Familienmitglieder oder Betreuer*innen angewiesen sind, die sie herumfahren. Neue, nachhaltigere Lösungen sollten auch zur Autonomie und sozialen Integration der Menschen beitragen.

Die Räder drehen sich – intelligente Lösungen durch Digitalisierung

Erfreulicherweise werden an verschiedenen Orten neue Initiativen aktiv, die Lösungen an der Schnittstelle von individueller Mobilität und öffentlichem Verkehr anbieten. Ermöglicht durch die Digitalisierung und oft angetrieben durch bürgerschaftliches Engagement, sind On-Demand-Shuttle-Dienste besonders in ländlichen Gebieten Deutschlands effektiv, wo keine Bahnen und Busse zur Verfügung stehen.

Eines der größten On-Demand-Projekte in Europa ist das Projekt „On-Demand Mobility für die Region Frankfurt/Rhein-Main„. Das Ziel ist es, die CO2-Emissionen im öffentlichen Raum zu reduzieren, indem Lücken im öffentlichen Angebot mit emissionsfreien Fahrzeugen, die rein batterieelektrisch oder mit Wasserstoffantrieb fahren, geschlossen werden. Der linien-und fahrplanunabhängige Verkehr wird dabei über eine digitale Plattform organisiert. Es ist das erste Mal, dass ein Projekt dieser Art in Deutschland über mehrere Regionen hinweg und mit einheitlichen Standards umgesetzt wird und damit ein Leuchtturmprojekt für viele weitere Initiativen.

Wie das On-Demand-Shuttle funktioniert? Nehmen wir an, du möchtest von zu Hause in die Stadt fahren, um einige Besorgungen zu machen. Entweder kannst du dir jetzt telefonisch oder über die RMV-On-Demand-App ein Shuttle bestellen. Über die App gibst du dein Start- und Endziel ein, wählst, ob du sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt fahren möchtest, buchst die Route und schon kann es losgehen! Die Bezahlung erfolgt direkt über die App, und die Preise richten sich nach dem regulären Tarif für öffentliche Verkehrsmittel mit einem kleinen Aufschlag für den Komfort. Um Emissionen zu sparen, übernimmt die Software dahinter das Ridepooling und fügt andere Fahrgäste zu deiner Fahrt hinzu, die eine ähnliche Strecke fahren wollen.

CleverShuttle CleverShuttle integriert On-Demand-Ridepooling in den ÖPNV.

Die Software hinter dem On-Demand-Shuttle in der Region Frankfurt hat „CleverShuttle“ entwickelt. Das Unternehmen bietet die Planung, Einrichtung und Verwaltung von Shuttle-Service-Projekten und die Software zur Koordinierung der Fahrten an und arbeitet bereits mit mehr als 18 Verkehrsbetrieben zusammen. Die Projekte zielen darauf ab, in Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden den bestehenden öffentlichen Nahverkehr durch nachhaltige, flexible und bedarfsgerechte Shuttles zu ergänzen. Die Software von CleverShuttle ermöglicht dabei die digitale Steuerung sämtlicher Prozesse, von der Zuordnung von Schichten zu Fahrten über Wartungsaufgaben und der Zustandserfassung der Fahrzeugflotte bis hin zur Algorithmus-gesteuerten Bündelung der Fahrtanfragen und der Navigation der Fahrer*innen zum jeweiligen Start- und Endpunkt der Buchung. Fahrgäste können hier ihre Fahrten buchen und alle wichtigen Auskünfte zu Preisen, Wartezeiten und Ankunft abrufen.

In Lübeck setzt die Initiative „In2Lübeck“ vor allem auf die Beteiligung der Bürger*innen, um einen möglichst nutzerzentrierten Service zu entwickeln. Die Shuttlebusse sind seit einigen Jahren im Einsatz und aus der lokalen Mobilität nicht mehr wegzudenken. Durch Workshops, Umfragen und Dialogveranstaltungen will das Projekt nun über den Shuttleservice hinausgehen und zu einer Veränderung der Verkehrslandschaft der Stadt insgesamt beitragen.

Doch wie effektiv sind diese Dienste?

Shuttle-Dienste auf Abruf können das Verkehrsaufkommen wirksam reduzieren, insbesondere im Gegensatz zu Taxidiensten, die das Verkehrsaufkommen durch leere Fahrten erhöhen, wie eine langjährige Studie aus Hamburg belegen konnte. Zusätzlich zu den öffentlichen Verkehrsmitteln können sie viele Menschen unabhängiger von ihrem Auto machen, was dazu führt, dass weniger Autos pro Haushalt benötigt werden.

Ein großer Schwerpunkt muss dabei jedoch darauf gelegt werden, die sozialen und nachhaltigen Vorteile zu einem integralen Bestandteil von Shuttle-Diensten auf Abruf zu machen. Der Einsatz von E-Autos und das Angebot von Mitfahrgelegenheiten für mehr Menschen könnten wirksame Maßnahmen sein, um zu verhindern, dass sie zu einem Taxi-Ersatz werden, und sie für neue Bevölkerungsgruppen attraktiv zu machen. Insbesondere ältere Menschen könnten von diesen Diensten profitieren; eine Herausforderung besteht jedoch darin, diese Dienste für Menschen zugänglich zu machen, die nicht über die notwendigen digitalen Fähigkeiten verfügen, um Fahrten online zu buchen.

Ein wesentlicher Schlüssel dazu, dass Abrufdienste zu einer attraktiven Alternative zum Privatwagen werden, scheint eine gut umgesetzte Integration in den bestehenden öffentlichen Verkehr zu sein. Dabei ist die Finanzierung flexibler On-Demand-Dienste ist eine Herausforderung, mit der viele kleinere Betreiber*innen noch zu kämpfen haben, insbesondere wenn es um digital verwaltete Dienste geht. Außerdem gilt es, die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen zu schaffen, um die experimentelle und projektbasierte Phase zu verlassen und diese Initiativen skalierbar zu machen und ihre Wirksamkeit zu erhöhen.

Derzeit befinden sich On-Demand-Shuttle-Services noch in einer rechtlichen Grauzone, wenn sie Teil des öffentlichen Verkehrssystems werden und dann auf Antrag und Genehmigung gemäß der Experimentierklausel des Personenbeförderungsgesetzes angewiesen sind. Die Herausforderung besteht darin, eine Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes auf den Weg zu bringen, um für innovative digitale On-Demand-Dienste mehr Rechtssicherheit zu schaffen. Gleichzeitig müssen auf der finanziellen Seite neue Finanzierungsrahmen gefunden werden, um Bundes- und Regionalisierungsmittel für lokale Projekte bereitzustellen. Ein Vorschlag ist zum Beispiel ein „Ein-Prozent-Fonds„, mit dem Regionalisierungsmittel für diese Angebote von den zuständigen Behörden und verantwortlichen Bestellern ausgeschrieben werden können.

Es ist noch ein weiter Weg, bis Shuttle-Dienste zu einem gut integrierten Teil des ländlichen Verkehrs werden. Aber neue, wegweisende Projekte zeigen, wie die digitale Vernetzung zur lokalen Verbesserung einer globalen Nachhaltigkeitsherausforderung werden kann. Werden On-Demand-Shuttle und Ridepooling-Services gut ausgeführt, können sie durchaus eine sehr effektive Lösung sein – und idealerweise zu einem Katalysator werden, dass mehr Menschen ihre Autoabhängigkeit überdenken.

Dieser Artikel gehört zum Dossier „Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität“. Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers zum Thema „Mission Klimaneutralität – Mit digitalen Lösungen die Transformation vorantreiben“ erstellen.

Mehr Informationen hier.

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Hedera macht den Impact von Mikrokrediten transparent

16. Januar 2023 - 5:49

Für viele Familien, die an oder nahe der Armutsgrenze leben, ist der Zugang zu Bankgeschäften und Krediten oft schwierig. Um dem entgegenzuwirken, haben einige Finanzinstitute Mikrofinanz- oder Mikrokreditprogramme aufgelegt – Kleinkredite, die unterversorgten Gesellschaftsschichten Wege aus der Armut ermöglichen sollen.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Spenden, die meistens zur sofortigen Linderung dringender Bedürfnisse gedacht sind, sollen Mikrokredite langfristige die Lebensqualität und Gesundheit verbessern und Bildungschancen erhöhen – durch zusätzliche Finanzmittel, über deren Verwendung die Familien selbst verfügen können. Viele Familien auf der ganzen Welt leben entweder in Armut oder am Rande des Existenzminimums, so dass kaum zusätzliches Einkommen für neue Anschaffungen oder einen zuverlässigen Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen zur Verfügung steht. Die Idee der Mikrofinanzierung ist, diese Kluft zu überbrücken, ohne die Empfangenden übermäßig mit Schulden zu belasten, indem kleine Kredite an Menschen vergeben werden, die sonst von Banken abgelehnt werden würden.

Die Wirkung von Mikrokrediten zu messen ist jedoch schwierig. Auch wenn viele Finanzinstitutionen Mikrokredite anbieten, verfolgen die wenigsten von ihnen, in wieweit sich der Wohlstand oder Lebensstandard der Empfänger*innen tatsächlich verbessert hat. Hier kommt Hedera Sustainable Solutions, ein in Berlin ansässiges Unternehmen, ins Spiel. Das Startup entwickelt digitale Produkte, mit denen Mikrofinanzinstitute besser abschätzen können sollen, ob ihre Investitionen die gewünschte nachhaltige Wirkung entfalten. Außerdem sollen mit den neu gewonnen Informationen Dienstleistungen für die Kund*innen verbessert und der Beitrag zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung der UN leichter bewertet werden können.

Zu diesem Zweck hat Hedera eine Reihe digitaler Tools entwickelt, die Mikrofinanzinstitute und Nichtregierungsorganisationen vor Ort unterstützen können. Mit dem Hedera Impact Toolkit können zum Beispiel einfache Umfragen durchgeführt werden, mit denen sich Finanzinstitute ein detailliertes Bild über die Wirkungen auf Ebene einzelner Haushalte verschaffen können. Über die Plattform Hedera connect können die Ergebnisse solcher Erhebungen für Interessierte zugänglich gemacht werden und u.a für Investor*innen geworben werden. Der große Vorteil der Software: Die Kosten für Datenerhebung, -analyse und Berichterstellung sollen um bis zu 90 Prozent reduziert werden können.

Die Hedera-Umfrage zum Energiezugang untersucht beispielsweise, wie Familien Strom erzeugen, wofür dieser Strom verwendet wird und die Häufigkeit von Unfällen oder Gesundheitsproblemen, die auf einen schlechten Zugang zu Strom zurückzuführen sind. Die Ergebnisse dieser Erhebungen können dann in digitalen Berichten zusammengefasst werden, um präzisere und wirkungsvollere Mikrofinanzzahlungen zu ermöglichen, den Weg der Zahlungsempfänger*innen aus der Armut zu beobachten und die SDGs zu unterstützen.

Hedera arbeitet auch mit lokalen Institutionen, Unternehmen und NGOs vor Ort zusammen, um Forschungsunterstützung, Schulungen und die für eine effiziente Datenanalyse erforderlichen digitalen Tools bereitzustellen. In der Demokratischen Republik Kongo hat Hedera beispielsweise mit der Organisation Appui-conseils aux Projets et Initiatives du Développement Endogène (APIDE) zusammengearbeitet, um haushaltsbezogene Daten zu visualisieren und damit transparenter und effektiver vor Ort nutzbar zu machen. In Kolumbien hat Hedera mit der Initiative Rejuvenating Pueblo Viejo zusammengearbeitet, deren Ziel es ist, Kinder und Jugendliche für Nachhaltigkeit zu sensibilisieren und ihnen eine Stimme in der lokalen Zivilgesellschaft zu geben. Das Hedera-Toolkit wurde eingesetzt, um den lokalen Bedarf zu ermitteln und die Fortschritte im Laufe der Zeit zu analysieren.

Die Debatte um Mikrokredite

Die Vergabe von Mikrokrediten ist nicht ganz unumstritten. Schon seit vielen Jahren gibt eine ausführliche Debatte über die Wirksamkeit von Mikrokrediten bei der Armutsbekämpfung und sogar über die ethischen Implikationen des Anbietens jeglicher Art von Krediten an arme Haushalte.

Einerseits können Mikrokredite Haushalten, die an der Grenze zwischen Armut und Selbstversorgung leben, einen Schub geben. Haushalte, die für eine Mikrofinanzierung in Frage kommen, leben möglicherweise mit nur 1,25 USD pro Tag. Damit lassen sich zwar die Grundnahrungsmittel abdecken, aber für alles andere reicht das Einkommen kaum aus. Ein medizinischer Notfall oder eine andere unvorhersehbare Krise kann unter diesen Voraussetzungen dazu führen, dass ein Haushalt noch tiefer in die Armut abrutscht.

Ein einfaches Darlehen von etwa 100 USD kann jedoch ausreichen, um diesen Haushalt in eine höhere sozioökonomische Schicht zu bringen, Sicherheit zu bieten und lokales Unternehmertum zu ermöglichen. Sobald die Grundbedürfnisse stabilisiert sind, können die Empfänger*innen von Mikrokrediten ihre Zeit und Energie anderen Unternehmungen widmen, was theoretisch zu mehr Produktivität führt und die lokale Wirtschaft ankurbelt. Dabei hat sich gezeigt, dass Kleinkredite oft besonders Frauen zugute kommen, da sie ihnen Zugang zu Bildung, finanzieller Unabhängigkeit und zusätzlichen Möglichkeiten verschaffen.

lecercle/Sari Microfinance/Oxfam Australia

Zum Problem kann allerdings werden, dass Finanzanbietende oft eine große Anzahl von Krediten mit geringem Wert und hohem Risiko vergeben. Da es keine Rückzahlungsgarantie gibt, werden hohe Zinssätze – manchmal bis zu 30 Prozent – verlangt. Dies wiederum kann die finanziellen Probleme der Empfänger unter Umständen noch vergrößern. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Empfänger*innen von Mikrokrediten weitere Kredite aufnehmen, um die Rückzahlung früherer Darlehen zu leisten. Dazu kommt: Insbesondere in den 1990er Jahren sind Mikrofinanzinstitute wie Pilze aus dem Boden geschossen – und nicht alle agieren professionell und transparent. Nicht verwunderlich also, dass die Verschuldung durch Mikrokredite bereits zu Tragödien geführt hat. BBC berichtete über eine Welle von Selbstmorden in Indien, die mit Mikrofinanzkrediten in Verbindung gebracht wurden.

Andere weisen darauf hin, dass die Förderung des Unternehmertums in kleinen Gemeinschaften ohne die notwendige kommerzielle Basis nur von begrenztem Wert ist und zu einer Übersättigung bestimmter Produkte und einem Verdrängungswettbewerb führt.

„Wie können wir Geschäftsmodelle schaffen, die nicht auf Gier basieren?“ – Interview mit Friedensnobelpreisträger Yunus

Der Vater der Mikrofinanzierung, Muhammad Yunus, sprach mit RESET über Social Business, radikalen Systemwandel und wie Entrepreneurship genutzt werden sollte, um die dringendsten Herausforderungen des Planeten zu bewältigen. Jetzt Interview lesen!

Viele dieser Probleme haben ihren Ursprung in der mangelnden Transparenz des Mikrofinanzsektors sowie in einem Mangel an Informationen über die unmittelbaren Bedürfnisse der Gemeinschaften und Haushalte. Projekte wie Hedera können daher wichtige Einblicke in den Sektor bieten und einige der potenziellen Nachteile von Mikrofinanzkrediten abmildern.

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